Bewegte Körper, bewegliche Disziplinen

Rezension von Alexandra Ganser

Nina Degele, Sigrid Schmitz, Marion Mangelsdorf, Elke Gramespacher (Hg.):

Gendered Bodies in Motion.

Opladen u. a.: Budrich UniPress 2010.

206 Seiten, ISBN 978-3-940755-57-5, € 24,90

Abstract: Dieser gelungene Band – Ergebnis einer Fachtagung im Bereich Gender Studies an der Universität Freiburg und zugleich Jubiläumsband anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Freiburger Koordinierungsstelle Gender Studies – beleuchtet den Nexus Körper und Geschlecht als dynamische Figuration an der Schnittstelle unterschiedlicher Wissenschaftsdiskurse. Die Autor/-innen stellen sich der interdisziplinären Herausforderung eines Dialogs zwischen Natur- und Technikwissenschaften einerseits und Gesellschafts- und Kulturwissenschaften andererseits, wenn auch mit z. T. unterschiedlichem Erfolg. Der Band bietet seinen Leser/-innen einen spannenden Einblick in die Dynamik körperlicher Signifikationen und vergesellschaftlichter Materialitäten und eröffnet vielfältige, innovative Forschungsperspektiven im Bereich der body studies.

Der Elisabeth Cheauré (Freiburger Universitäts-Frauenbeauftragte in den 1990er Jahren) gewidmete Sammelband Gendered Bodies in Motion ist das Ergebnis langjähriger Forschungen am Zentrum für Anthropologie und Gender Studies (ZAG) und am Kompetenzforum [gin] „Genderforschung in Informatik und Naturwissenschaften“ der Universität Freiburg. Er vereint Beiträge zur gleichnamigen Fachtagung, die im November 2008 anlässlich des zehnjährigen Jubiläums der Koordinierungsstelle Gender Studies an der Universität Freiburg stattfand, und drei zusätzliche studentische Beiträge. Die Soziologin Nina Degele (Leiterin des ZAG), die Biologin und Wissenschaftsforscherin Sigrid Schmitz (ehemalige Leiterin des [gin]), die Soziologin, Philosophin und Anthropologin Marion Mangelsdorf (ZAG) und die Sportsoziologin Elke Gramespacher (Leiterin der Servicestelle Dual Career Couples in Freiburg und ZAG-Mitarbeiterin) haben mit diesem Band einen wichtigen Beitrag zu akademischen und populären Diskussionen um Körper und Geschlecht geliefert, der aufgrund seiner Breite und Themenvielfalt eine Bereicherung für jede/n Leser/-in ist.

Verkörperungen

Den Rahmen bildet die Brisanz des Themenkomplexes Körper und Geschlecht vor dem Hintergrund fortschreitender naturwissenschaftlich-technischer Möglichkeiten der „Veränderbarkeit und Optimierung“ (Klappentext) geschlechtsmarkierter Körper. Die Autor/-innen diskutieren innerhalb ihrer spezifischen Fokussierung die These, dass der Körper in stetigem Wandel und in permanenter Bewegung begriffen ist – medizinisch, konzeptuell, diskursiv, habituell und kulturell. Eine zentrale Leitfrage stellt jene nach dem Spannungsfeld zwischen den traditionell binär gedachten Polen Natur und Kultur dar, zwischen denen sich Körperdiskurse verorten (müssen). Dabei ist es den Herausgeberinnen ein wesentliches Anliegen, diese politisch und geschlechtlich aufgeladene Polarität durch trans- und interdisziplinäre Ansätze in Frage zu stellen und neue Wege zu beschreiten, die Einsichten aus den Natur- und den Gesellschafts- bzw. Geisteswissenschaften verbinden und dadurch ein neues Verständnis geschlechtscodierter Körperlichkeit im 21. Jahrhundert anleiten.

In der Einleitung zeichnen Gramespacher und Mangelsdorf die Geschichte der Freiburger Gender Studies als exemplarisch für die Entwicklung der bundesdeutschen Geschlechterforschung nach: von der Erfolgsgeschichte der Institutionalisierung in Freiburg, die auf den Zusammenschluss von Studierenden und Professor/-innen während der Studierendenproteste 1997/98 zurückging, über produktive interdisziplinäre Lehre und Forschung im wissenschaftlichen Dialog zwischen den hard sciences und den soft humanities bis hin zum backlash, der mit dem Förderungsende des [gin] 2009 eintrat. Im Sinne eines Jubiläumsbandes präsentiert Gendered Bodies in Motion wichtige Forschungsergebnisse der letzten Jahre, stellt aber gleichzeitig auch ein Plädoyer für die Notwendigkeit experimenteller, grenzüberschreitender Geschlechterforschung dar, dem jede demokratische und kritische Wissenschaftspolitik, die an einem breiten Dialog zwischen und mit Wissenschaftler/-innen interessiert ist, eigentlich beipflichten müsste.

In zehn inter- bzw. transdisziplinären Beiträgen wird exemplarisch vorgeführt, welche Richtungen die gendertheoretisch ausgerichteten Body Studies gegenwärtig einschlagen können. Sie entstammen technik-, natur-, medizinwissenschaftlichen sowie geistes- und sozialwissenschaftlichen Perspektivierungen aus Medizin, Biologie, Soziologie, Anthropologie, Philosophie, Kultur-, Literatur- und Medienwissenschaften sowie der Erziehungswissenschaft. Vorweg ist positiv anzumerken, dass das Buch den Wert einer Kooperation nicht nur über Disziplingrenzen, sondern auch über Wissenschaftshierarchien hinweg deutlich werden lässt: Die studentischen Beiträge (allesamt aus dem Kreis der Gender Studies an der HU Berlin) von Katrin Kämpf und Matthias Mergl, von Veronika Ladewig sowie von Isabella Marcinski zeigen, wie wichtig der Dialog über Disziplin- und Generationengrenzen hinweg gerade auch für die Sicherung von Kontinuität im feministischen und gendertheoretischen Diskurs ist.

Die Prozesshaftigkeit verkörperter Geschlechtlichkeit

Sigrid Schmitz’ und Nina Degeles ausführlicher Forschungsüberblick über verschiedene Ansätze in der wissenschaftlichen Debatte um Körper und Geschlecht eröffnet die Diskussion. In „Embodying – ein dynamischer Ansatz für Körper und Geschlecht in Bewegung“ beschreiben sie, wie Körper und körperliche Materialität seit den 1990er Jahren in den Blickwinkel sozial- und kulturwissenschaftlicher Diskurse gerieten (Stichwort body turn) und damit nicht mehr den Natur- und Lebenswissenschaften vorbehalten war. Schmitz und Degele setzen sich dabei kritisch mit den Arbeiten Judith Butlers, Helmuth Plessners, Donna Haraways, Karen Barads, Erika Fischer-Lichtes oder Anne Fausto-Sterlings auseinander und beleuchten die Stärken und Schwächen der jeweiligen Ansätze sowie deren transdisziplinäre (In-)Kompatibilitäten. Dabei gelingt es den Autorinnen, die Biologie als wichtige Gesprächspartnerin an der Theoriediskussion zu beteiligen. Geleitet wird der Eröffnungsbeitrag von der Frage, wie sich „Körperstrukturen, -prozesse, -wahrnehmungen und -handeln in Konzepte gesellschaftlicher Geschlechterkonstruktionen einbeziehen [lassen], ohne ihnen eine determinierende Kausalität zuzuschreiben“ und „ohne körperlich Materialitäten und Widerständigkeiten in Diskursen aufzulösen“ (S. 13).

Gleichzeitig hinterfragen die Autorinnen eine Reihe an dichotomen Vorstellungen, die um den Körper-/Geschlecht-Nexus kreisen: Natur/Kultur, außen/innen, Determinismus/Konstruktion, Passivität/Aktivität und Statik/Dynamik. Mit ihrem Vorschlag, den etablierten Begriff des Embodiment durch Embodying („Prozesse der Verkörperung von Gesellschaft und Vergesellschaftung körperlicher Materialität zwischen/jenseits von Konstruiertheit und Determinierung“, S. 31) zu ersetzen und damit die Prozesshaftigkeit verkörperter Geschlechtlichkeit zu betonen, geben Schmitz und Degele einen wichtigen Impuls für das theoretische Weiterdenken von Begrifflichkeiten und den damit verbundenen Methodologien in der Bearbeitung der Frage nach vergeschlechtlichten Körpern „als Akteure, als Zeichenträger, als Mittel struktureller Ordnungen im Rahmen moderner Biopolitiken“, aber auch als „eigensinnige Körper, die sich in Form von Krankheit, Schmerz oder Alter widersetzen“ (S. 14). Ihre abschließenden Thesen werden auf unterschiedliche Weise von den nachfolgenden Beiträgen aufgegriffen und bearbeitet.

Interdisziplinäre Nachbearbeitung populärwissenschaftlicher Zugänge

Im ersten Teil des Bandes werden „interdisziplinäre Einblicke“ gewährt. Der Beitrag von Kerstin Palm, „Die Natur der Schönheit – Reflexionen zur evolutionstheoretischen Attraktivitätsforschung“, ist insofern besonders spannend, als er die Wissenschaftlichkeit der evolutionären Psychologie hinterfragt, die auch in populären Zeitschriften derzeit eine Hochblüte erlebt (Stichwort Pop-Darwinismus) und damit wesentlich das breite gesellschaftliche Verständnis von Körper und Geschlecht auf höchst problematische Weise beeinflusst. Erhellend und durchaus auch unterhaltsam analysiert Palm, wie Attraktivitätsdiskurse primär heterosexuelle, weibliche Schönheitsideale fokussieren und „gerade mittels des Bewegungsaspektes der evolutionsbiologischen Theorie, dem Streben der Körper nach optimierender Veränderung, die Legitimation traditioneller Geschlechterverhältnisse möglich wird“ (S. 40). Mithilfe ihres Ansatzes eines feministischen Empirismus stellt die Autorin überzeugend dar, wie spekulativ die evolutionstheoretisch-psychologische Attraktivitätsforschung vorgeht und wie sie „in ihren Untersuchungsdesigns, Argumentationen und Theoriebildungen massiv von Geschlechter- und Sexualitätsklischees geleitet wird“ (S. 52).

Aus dem Blickwinkel einer feministisch-empiristischen Wissenschaftstheorie beschäftigt sich auch Nicole Karafyllis in ihrem Beitrag „‚Extreme Male Brains’ – eine gendertheoretische Diskursanalyse zum Phänomen Autismus“ mit einer allgegenwärtigen ‚pop science’, in der das Gehirn zum Geschlechtsorgan wird (vgl. S. 55). Mit diesen ‚cerebralen Geschlechterverhältnissen’ setzt sich die Autorin anhand des sogenannten Realmodells des autistischen Männergehirns auseinander, das auf der These einer genetisch-neurobiologisch verankerten Antisozialität des Männergehirns und einer gesteigerten Empathiefähigkeit des Frauengehirns beruht, und fragt nach heteronormativ vorstrukturierten und von blinden Flecken durchzogenen Diskursen, in welchen Autismus verhandelt wird. In einer sehr klaren, interdisziplinär sensiblen Sprache beeindruckt die Autorin nicht nur durch ihren Kenntnisreichtum über das Feld der Autismusforschung, sondern auch durch die gelungene Anbindung an die Fragestellungen des Bandes, besonders jene nach den politisch-gesellschaftlichen Konsequenzen eines biologisierten Subjekts. Originell ist auch ihre kurze Analyse einer ‚Hollywood science‘ als Mediatorin zwischen Wissenschaft und Gesellschaft, obwohl die kulturwissenschaftliche Ausleuchtung von Filmen wie Rainman (1988) oder As Good As It Gets (1997) doch sehr an der Oberfläche und damit hinter den Erwartungen (einer Kulturwissenschaftlerin, wohlgemerkt) zurückbleibt – Fragen nach Medialisierung, Kultur- und Kontextspezifik werden in dem gegenüber anderen Abschnitten sehr kurzen Kapitel lediglich angerissen.

Ebenfalls im weiten Sinne innerhalb der pop science zu verorten ist der Fall, den Veronika Ladewig aufgreift. Das sogenannte „Phantom von Heilbronn“ geisterte 2009 durch die deutschen Medien; es wurde angenommen, dass es sich um eine weibliche Serienmörderin handelte, bevor man herausfand, dass die an verschiedensten Tatorten gesicherten DNA-Spuren von Verunreinigungen einer Mitarbeiterin eines Verpackungsherstellers stammten. In „Gendered DNA: Zur Entstehung einer Person“ reflektiert die Autorin diesen ‚Kriminalfall‘ auf Grundlage der akteurstheoretischen Ansätze Donna Haraways, bleibt in ihren Schlussfolgerungen am Ende jedoch nicht immer ganz nachvollziehbar. Interessant wäre hier des Weiteren eine Zusammenschau mit populären TV-Kriminalserien und deren Verhandlung von ‚harter‘ DNA gewesen, da diese wesentlich das diskursive Feld, in dem Ladewigs Fallstudie angesiedelt ist, vorstrukturieren.

Körper und Gesundheit

Die vorherrschenden Diskurse, hier bezogen auf die Gesundheit, werden auch von Ilse Hartmann-Tews wenig in den Blick genommen, wenn sie in einer empirischen Arbeit zum Thema „Alter und Geschlecht im Kontext von Sport und Bewegung“ die „gesellschaftliche und individuelle Bedeutung des Zusammenwirkens von Alter und Geschlecht“ (S. 86) als bisher blinden Fleck in der Gender- wie auch der Altersforschung bespricht. Indem die Autorin anhand der präsentierten Daten die unterschiedlichen Bedeutungen von Leistungsabbau für alternde Männer und Frauen erhellt, leistet sie aber einen wichtigen Beitrag an dieser interdisziplinären Schnittstelle.

Im Lichte von Karen Barads Theoretisierungen von Körper und Geschlecht präsentieren Karin Kämpf und Matthias Mergl in einem kurzen Aufsatz ihre Reaktionen auf die Installation einer „Magnetresonanz-Tomographie des Geschlechtsaktes“ im Deutschen Hygiene-Museum Dresden, wobei die Analyse der Installation dabei etwas zu kurz kommt. „Freeze! Eine queere Objektivitätsbricolage aus Karen Barads Epistem-Ontologie“ bleibt leider einem oft unverständlichen Theoriejargon verhaftet, der die Leser/-in, die mit Barads Ansätzen nicht bereits vertraut ist, zuweilen ratlos zurücklässt.

Ein fundierter, sprachlich gelungener und gut strukturierter Beitrag ist hingegen die Studie „Anorexie mit anderen Augen – Helmuth Plessners philosophische Anthropologie als Grundlage eines leiblich fundierten Verständnisses einer Essstörung“, in der sich Isabella Marcinski dieses brisanten und nach wie vor gesellschaftlich hochrelevanten Themas annimmt. Sie begreift, mit Plessner, Anorexie u. a. als „Übertreibung einer kulturell legitimen Körperpraxis, nämlich der Kontrolle und Disziplinierung des Leibes, die von seiner totalen Verfügbarkeit und Veränderbarkeit ausgeht“, (S. 138) und fordert eine feministische Leibphänomenologie, die „nach der geschlechtsspezifischen Verschränkung von Identität (gender), sozio-kulturellem Körper (sex) und der Biographie konkreter Leiberfahrungen“ (S. 139) fragt – genau hier, so die Autorin, kann die Beschäftigung mit Anorexie Aufschluss auch für das Verständnis anderer Körperpraxen geben. Es bleibt allerdings unverständlich, dass die Autorin Susan Bordos Unbearable Weight: Feminism, Western Culture, and the Body von 1993 dabei unberücksichtigt lässt, war doch Bordo eine der ersten Feminist/-innen, die sich kritisch mit Anorexie im Spannungsfeld von Körper und Geschlecht beschäftigt hatte.

Der Körper im Bild

Dass der zweite Teil des Buches aus Beiträgen bestehe, die „auf das Thema ‚Gendered Bodies in Motion‘ forschungsmethodisch bezogen sind und damit auch Anwendungsfelder zum Thema beschreiben“ (S. 10), ist insofern nicht ganz nachvollziehbar, als methodische Überlegungen und Einblicke in Anwendungsgebiete ja bereits im ersten Teil des Bandes zum Tragen kommen. Die drei Beiträge des zweiten Teils unterscheiden sich vielmehr dadurch von den vorigen, dass sie im Wesentlichen auf Analysen von Bildmedien aufbauen (Film, Musikvideo und Fotografie) und sich zudem von Naturwissenschaftsdiskursen entfernen.

Während Martina Schuegraf und Sandra Smykalla in ihrem Artikel „Zwischen Popfeminismus und Mainstream – Inszenierungsstrategien von KünstlerInnen im Musikvideoclip“ popfeministische Darstellungen von Körper und Geschlecht bei Madonna und Peaches kontrastieren und sich dabei auf Erika Fischer-Lichtes Theatralitätskonzept und Judith Lorbers Begriff des degendering beziehen, beschäftigt sich Heike Raab mit der Triade Behinderung-Heteronormativität-Geschlecht anhand Loree Ericksons Kurzfilm Want!. In ihrem Aufsatz „Fragmentierte Körper – Körperfragmente“ argumentiert sie für ein intersektionales Verständnis dieser Triade vor dem Hintergrund der Disability Studies (im Sinne von Rosemary Garland Thomson), wie sie sich seit mehr als einer Dekade v. a. im englischsprachigen Raum etabliert haben. Im Rückgriff auf Foucault, Bourdieu und Butler gelingt es der Autorin, an Ericksons Inszenierung der crip femme eine körpertheoretisch gewendete Analyse visueller Regimes (vgl. Laura Mulvey und Kaja Silverman) zu entwickeln, auch wenn die abschließende Filmanalyse selbst letztlich zu kurz kommt: „Zentral ist hierbei die Erkenntnis, dass der Blick als visuelle Handlungsform […] Behinderung, Heteronormativität und Geschlecht, wie auch andere Achsen der Differenz und Ungleichheit, mitformt“ (S. 154).

Eine interessante Studie zur Visualisierung von Macht und Geschlecht legt Nadja Sennewald im letzten Beitrag vor. In „Politische Körper – zum medialen Diskurs über Geschlecht und Macht“ analysiert sie vergleichend die Repräsentation von Barack Obama, Hillary Clinton, John McCain und Sarah Palin in ausgewählten Fotografien, die im Rahmen des US-Präsidentschaftswahlkampfs 2008 in Internet-Fotostrecken veröffentlicht wurden. Wiewohl Roland Barthes’ bedeutende Überlegungen zum „Photogenen Kandidaten“ (1957) hier unerwähnt bleiben, stellt die Autorin in einer neoformalistischen Analyse (nach Bordwell und Thompson) überzeugend dar, dass die „Inszenierung von politischen Körpern“ (S. 196) bei Frauen nach wie vor Geschlecht als zentralen Differenz- und Bestimmungsfaktor setzt. Dahingestellt muss vorerst bleiben, ob die als femme fatale dargestellte Sarah Palin tatsächlich mit dem politischen Tod bestraft werden wird, wie Sennewald vorsichtig behauptet (vgl. S. 195).

Fazit

Gendered Bodies in Motion stellt sich der schwierigen interdisziplinären Herausforderung eines Dialogs zwischen Natur- und Technikwissenschaften einerseits und Gesellschafts- und Kulturwissenschaften andererseits auf bemerkenswert mutige Weise. Dieser Dialog ist umso wichtiger, als die fortschreitende Technologisierung des Körpers, der sich immer auch in Vergeschlechtlichungsprozessen manifestiert und erlebt, eine Reflexion ihrer gesellschaftlichen Konsequenzen gerade aus inter- und transdisziplinärer wissenschaftlicher Perspektive höchst notwendig macht. Der Band bietet seinen Leser/-innen einen spannenden und auch für Nicht-Spezialist/-innen gut lesbaren Einblick in die Dynamik körperlicher Signifikationen und vergesellschaftlichter Materialitäten im Versuch, vereinfachende Dichotomien wie Natur/Kultur, aktiv/passiv oder Determinierung/Konstruktion aufzubrechen.

Verwunderlich hingegen bleiben zwei wesentliche Leerstellen. Einerseits fehlt die theoretische Aufarbeitung und Anerkennung einiger der namhaftesten feministischen Body-Studies-Forscher/-innen, allen voran die bereits genannte Susan Bordo, die keine einzige Erwähnung findet, sowie Rosi Braidotti und Elizabeth Grosz, die nur im Aufsatz von Marcinski angeführt werden. Deren philosophische und kulturwissenschaftliche Überlegungen hätten den interdisziplinären Austausch weiter befördern und fordern können. Und andererseits erstaunt es doch, dass sich die versammelten Debatten und Fallstudien allesamt auf westlich-weiße Körperpraktiken beziehen, ohne dies in Theorie und Empirie zu reflektieren. Diese Beschränkung sollte auch bei der Lektüre der theoretischen Erkenntnisse und Problematisierungen mit bedacht werden. Verwiesen sei im Literaturverzeichnis auf eine Reihe kulturwissenschaftlicher, ethnologischer und historischer Studien zum nicht-weißen und zum (post-)kolonialen Körper, v. a. aus dem angelsächsischen Raum. Die Auseinandersetzung mit diesen und ähnlichen Arbeiten hätte sicherlich auch die kultur- und medienwissenschaftlichen Analyseversuche einzelner Beiträge bereichert. Auch über ein Sach- und Personenregister hätte sich die Rezensentin gefreut.

Trotz dieser Mängel bleibt insgesamt ein positiver Leseeindruck zurück, der v. a. den interessanten Themen der einzelnen Beiträge und dem Mut der Autor/-innen und Herausgeberinnen geschuldet ist, mit dem sie die schwierige Aufgabe einer kritischen, transdisziplinären und verständlichen Wissenschaftspraxis meistern. Der Band kann damit als Bilanz zehnjähriger Forschungskooperation über Disziplingrenzen hinweg und als Indikator zukünftiger Aktivitäten verstanden werden und belegt zudem die Innovationskraft, mit der sich die dezidiert transdisziplinär ausgerichtete Freiburger Geschlechterforschung aus der akademischen Landschaft der Gender Studies abhebt. Ihr sind jedenfalls die Daumen zu drücken, dass sie diese Pionierarbeit langfristig fortführen und erweitern kann. Das 21. Jahrhundert kündigt zweifellos umwälzende Entwicklungen im Forschungsbereich der Body Studies, angesiedelt zwischen Natur, Technik, Gesellschaft und Kultur, an, die der kritischen Reflexion bedürfen werden, solange sie politisch verhandelbar bleiben sollen.

Literatur

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Bordo, Susan: Unbearable Weight: Feminism, Western Culture, and the Body. Berkeley: U of California P 2003 (1993)

Braidotti, Rosi: Metamorphoses. Towards a Materialist Theory of Becoming. Cambridge: Polity 2002

Fanon, Frantz: Peau Noire, Masques Blancs. Paris: Éditions du Seuil 1952

Grosz, Elizabeth: Volatile Bodies. Toward a Corporeal Feminism. Bloomington: Indiana UP 1994

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Yancy, George: Black Bodies, White Gazes. The Continuing Significance of Race. Lanham: Rowman & Littlefield 2008

URN urn:nbn:de:0114-qn123086

Dr. Alexandra Ganser

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Institut für Anglistik und Amerikanistik, Assistentin

Homepage: http://www.amerikanistik.phil.uni-erlangen.de/personal/ganser.html

E-Mail: alexandra.ganser@amer.phil.uni-erlangen.de

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