Die mediale Konstruktion von Schönheit

Rezension von Waltraud Posch

Michael Jäckel, Julia Derra, Cornelia Eck:

SchönheitsAnsichten.

Geschlechterbilder in Werbeanzeigen und ihre Bewertung.

Baden-Baden: Nomos Verlag 2009.

175 Seiten, ISBN 978-3-8329-4317-2, € 20,00

Abstract: In einer generationenübergreifenden Studie gehen Michael Jäckel, Julia Derra und Cornelia Eck der Frage nach, welche Schönheitsbilder in der Zeitschriftenwerbung präsentiert und wie diese von Rezipient/-innen aufgenommen werden. Das Buch liefert eine wichtige Basis für Medienforschung und Soziologie der Geschlechter, zumal es auch vordergründig nicht sichtbare mediale Konstruktionen von Geschlecht und die geschlechtsbezogene Darstellung von Körperlichkeit und Schönheit aufzeigt.

Werbung präsentiert Vorstellungen darüber, wie Männer und Frauen sein sollen. Neben klassischen Geschlechterbildern wie der fürsorglichen, unerotischen Hausfrau und der jungen, sexy Frau sowie dem starken, kompetenten Fachmann und Familienoberhaupt diagnostizieren Analysen eine zaghafte Erweiterung des geschlechtstypischen Repertoires: Männliche Darstellungen wurden um das Bild des fürsorglichen Vaters, zärtlichen Partners und körperlich entblößten Mannes erweitert, weibliche Darstellungen um jenes der sich selbst verwirklichenden, nicht aufopferungsbereiten Frau, die vereinzelt auch normalgewichtig oder älter ist. Von der Frage, ob dies alles jedoch bloß ein Wandel an der Oberfläche ist (vgl. S. 16), geht die vorliegende Studie aus.

Das Buch ist zwei Forschungsperspektiven gewidmet: Sind traditionelle Geschlechterstereotypen in Werbeanzeigen gegenwärtig noch verankert bzw. inwiefern kann bei der Inszenierung von geschlechtsspezifischen Zuordnungen von einer Generationenabhängigkeit gesprochen werden? Und – ausgehend von der „andauernden Kritik gegen die stets schlanken, schönen und jungen Werbefiguren“ (S. 30): Wie stark werden SchönheitsAnsichten in Form von Idealisierungen bei der jungen und der älteren Generationen von der Zeitschriftenwerbung thematisiert?

Bemerkenswert, das sei gleich vorweg festgestellt, ist das Forschungsdesign der Studie. Das Autorentrio – Julia Derra und Cornelia Eck sind wissenschaftliche Mitarbeiterinnen im Fachbereich „Professur für Konsum- und Kommunikationsforschung“ der Universität Trier bei Michael Jäckel – wählte im Gegensatz zu den meisten anderen Medienanalysen einen generationenübergreifenden Ansatz. Die Autor/-innen vergleichen die Gruppe der 14- bis 19-Jährigen („Jugendliche“) mit der Gruppe der 44- bis 49-Jährigen („Elterngeneration“). Einbezogen werden Darstellungen dieser Generationen in Zeitschriftenwerbungen sowie Interviews mit Angehörigen dieser Altersgruppen.

Einer innovativen Methodenwahl und fundierten Analyse der Ergebnisse steht allerdings eine weniger intensive theoretische Auseinandersetzung bezüglich des Schönheitsideals gegenüber, das inhaltlich im Zentrum der Analysen steht. Manche Zitate zur theoretischen Einbettung der Studie erscheinen wahllos herausgepickt, und wichtige Autor/-innen zum Thema bleiben unerwähnt. So werden die Anzeigen auch hinsichtlich der Frage untersucht, ob die dargestellten Personen „dem Schönheitsideal entsprechen“ (S. 40), allerdings fehlt die Erläuterung, was als „Schönheitsideal“ eingestuft wurde.

Schlichtweg irritierend ist ein am Ende des Buches platzierter Aufsatz von Michael Jäckel zum Thema „Moderne Formen des Verzichts“, welcher weder empirisch noch theoretisch Bezüge zum restlichen Buch aufweist und insofern als nicht einzuordnender Fremdkörper erscheint, was dem ansonsten insbesondere in empirischer Hinsicht äußerst gelungenen Buch Abbruch tut.

Obwohl Körpersoziologie nicht der Schwerpunkt des Buches ist, liefert es eine fundierte empirische Basis zu den Forschungsfeldern Mediensoziologie und Soziologie der Geschlechterverhältnisse. In diesen Bereichen kann das Buch SchönheitsAnsichten als äußerst aufschlussreich und innovativ bezeichnet werden.

Das erste der vier Kapitel ist einem knappen theoretischen Impuls zur „Mediengesellschaft“ gewidmet, Kapitel zwei liefert Aufschlüsse über „Männlich und Weiblich im Spiegel der Werbung“, im Mittelpunkt von Kapitel drei steht die Rezeptionsforschung („Werbung im Spiegel der Rezipienten“), in Kapitel vier wird ein Fazit gezogen.

Schöne Frau, erfolgreicher Mann

Für die Analyse werblicher Anzeigen in Zeitschriften untersuchten die Autor/-innen mittels Inhaltsanalyse 99 Ausgaben der Jahre 2004 bis 2006 von 4 Frauenzeitschriften, 4 Männerzeitschriften und 3 Zeitschriften mit geschlechtlich heterogenem Publikum. Insgesamt wurden beachtliche 1406 Anzeigen hinsichtlich einer Fülle von Variablen sowohl zum szenischen Umfeld als auch zu den dargestellten Personen untersucht; dabei wurden auch die Werbetexte einbezogen.

Geschlechtsbezogene Differenzen zeigten sich wohl in manchen, nicht jedoch in allen untersuchten Bereichen. So erscheinen sowohl weibliche als auch männliche Jugendliche auf Werbeanzeigen „ausschließlich dürr oder schlank“ (S. 42), und jugendliche Werbepersonen werben ohne präferiertes Geschlecht für vermutete ‚geschlechtstypische‘ Produkte wie Kosmetik und elektronische Medien.

Weniger offensichtliche mediale Konstruktionen von Zweigeschlechtlichkeit zeigten sich jedoch deutlich: So erwiesen sich männliche Tätigkeitsfelder als „vielfältiger und variationsreicher als weibliche“ (S. 34). Rund die Hälfte der weiblichen Akteure (47% der Jugendlichen, 58% der 40- bis 49-Jährigen) posierte ausschließlich, wurde also nicht bei einer Tätigkeit abgebildet. Insgesamt waren 78% der abgebildeten Männer in einem Produkt-Person-Zusammenhang eingebettet, was nur auf 49% der Frauen zutraf.

Auch Körperlichkeit an sich konnte als dominant weiblich konstruiert ausgemacht werden: 64% der gezeigten Körperteile gehörten Frauen, nur 36% Männern. Darüber hinaus waren die abgebildeten Körperteile von Männern signifikant häufiger bedeckt als jene von Frauen. Eine Analyse der in den Schlagzeilen bekundeten Werte bestätigt geschlechtliche Prägungen: So erscheinen 28% der jungen und 30% der älteren Frauen in Werbeanzeigen in Verbindung mit „Schönheit/Attraktivität“ (S. 45), was nur bei 5% der jungen und 3% der älteren Männer der Fall war. Im Gegenzug dazu korrelierte der Wert „Erfolg/Kompetenz/Wissen“ (S. 47) signifikant häufiger mit (jungen) Männern.

In Verknüpfung einer formalen Analyse mit einer Wirkungsanalyse wurden darüber hinaus Angehörige der Generationen 14 bis 19 und 40 bis 49 befragt. Die Bewertung von 20 Anzeigen, welche hinsichtlich Geschlecht und/oder Generation signifikant waren, stand dabei im Zentrum. Wichtigstes Ergebnis ist hierbei, dass Frauen Männerdarstellungen und Männer Frauendarstellungen bevorzugen. Darstellungen des eigenen Geschlechts wurden generationenunabhängig kritischer beurteilt. Männer lehnten insbesondere Inszenierungsformen ab, die ein neues Körperbewusstsein für Männer propagierten, etwa Kosmetik für Männer. Ebenso war die Auswahl der Lieblingsanzeige und der Anzeige, die am meisten missfällt, „hochsignifikant abhängig vom Alter und Geschlecht“ (S. 62).

Geschlechtliche Eindeutigkeit: körperlich ja, inhaltlich nein

Ergänzend zu dieser strikten Zuweisung von Körperlichkeit zu Geschlechtern im körperlich-anatomischen Sinn wird mit Blick auf die Infragestellung einer strikten Geschlechtertrennung in der Studie jedoch deutlich, dass vor allem bei jugendlichen Werbepersonen eine thematische Angleichung zwischen Frauen und Männern beobachtet werden kann. So legt die Werbung gleichermaßen Mädchen und Jungen verschönernde Kosmetik nahe, was im inhaltlichen Sinn einer „Vermischung ehemals geschlechtlich getrennter Bereiche“ (S. 100) nahe kommt.

Fazit

Das Buch leistet wichtige Arbeit bei der Analyse medialer Strategien zur Darstellung und Interpretation geschlechtlicher Körperlichkeit. Insbesondere zeichnet es sich durch ein aufwändiges, konsequent verfolgtes Forschungsdesign mit einem innovativen, zwei Generationen übergreifenden Zugang aus. Die dürftig erscheinenden theoretischen Ausführungen, die das Werk zum Teil als „Schnellschuss“ erscheinen lassen, sowie ein thematisch unmotiviert ansinnendes Schlusskapitel werden durch fundierte Empirie wettgemacht. Insofern beantworten Jäckel, Derra und Eck ihre Forschungsfragen und erreichen die von ihnen gesteckten Ziele. Obwohl keine Studie alles beantworten kann, wäre jedoch eine bessere theoretische Einbindung oder eine ausschließlich empirische Arbeit wünschenswert gewesen. Ungeachtet dieser Kritik ist Jäckel, Derra und Eck ein empirisches Werk gelungen, das wohl noch in mancherlei theoretischen Ausführungen Eingang finden wird. Eine Lektüreempfehlung kann für geschlechtssensibel arbeitende Medienwissenschaftler/-innen und für an empirischen Forschungsergebnissen interessierte Frauen- und Geschlechterforscher/-innen abgegeben werden.

URN urn:nbn:de:0114-qn113050

Waltraud Posch

Soziologin in Graz

Homepage: http://www.waltraudposch.at

E-Mail: info@waltraudposch.at

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