Au-pairs, die ideale Lösung der Vereinbarkeitsprobleme für österreichische Mittelschichten?

Rezension von Claudia Gather

Maria Orthofer:

Au-Pair: Von der Kulturträgerin zum Dienstmädchen.

Die moderne Kleinfamilie als Bildungsbörse und Arbeitsplatz.

Wien u.a.: Böhlau Verlag 2009.

355 Seiten, ISBN 978-3-205-78182-0, € 35,00

Abstract: Orthofer befasst sich mit Au-pairs in Österreich in der Zeit zwischen 1980 und 2000. Die historischen Vorläufer des Au-pair-Systems, der Kulturaustausch für junge Frauen und die Dienstboten, werden dargestellt. Empirisch untersucht werden die „Gastfamilien“, wie die Autorin die Arbeitgeber nennt, aus der Mittel- und Oberschicht anhand von Bewerbungen um ein Au-pair bei einer kirchlichen Agentur. Für den Untersuchungszeitraum konstatiert Orthofer ein eher harmonisches Verhältnis zwischen Au-pairs und Gastfamilien. Seit 2001, seit der rechtlichen Öffnung des Au-pair-Systems auch für Osteuropäerinnen, sei eine grundlegende Veränderung der Verhältnisse zu verzeichnen: Vermittelt würden Au-pairs heute von (international tätigen) gewinnorientierten Unternehmen. Statt ein Bildungsprogramm mit einer „kleinen Dienstleistungskomponente“ zu sein, stehe heute die „billige häusliche Dienstleistung“ im Vordergrund.

Das Forschungsfeld

In Deutschland wie in Österreich setzen Familien seit gut 20 Jahren zunehmend auf bezahlte Haushaltsarbeiterinnen, zumeist Putzfrauen für einige Stunden pro Woche, aber auch Au-pairs und Pflegerinnen, statt zu versuchen, die anfallenden Arbeiten in den Haushalten unter den Mitgliedern aufzuteilen. Leisten können sich dies die Mittelschichten. Beschäftigt werden Migrantinnen (oft ohne Papiere), die eigens zu diesem Zweck nach Deutschland und Österreich kommen, sowie einheimische Frauen aus den unteren Schichten. Es gibt nun seit mehr als 10 Jahren im deutschsprachigen Raum eine ganze Reihe von Arbeiten, die sich mit diesem Phänomen befassen. Im Vordergrund stehen hier überwiegend die beschäftigten Haushaltsarbeiterinnen und ihre Arbeits- und Lebenssituationen (z. B. in den Arbeiten von Hess 2009, Irek 1998, Lutz 2007, Odierna 2000, Rerrich 2006, Thiessen 2004, Tschannen 2003 und Gather/Geissler/Rerrich 2009).

Maria Orthofer befasst sich in ihrer Arbeit mit Au-pairs. Sie betrachtet einerseits die Geschichte von Au-pairs in Österreich und fragt andererseits danach, „welche Familien aus welchen Gründen und mit welchen Erwartungen Au-pairs für die Betreuung ihrer Kinder herangezogen haben, statt außerhäusliche Bereuungsformen zu suchen“ (S. 19).

Die empirische Studie

Bei dieser Monographie handelt es sich um die überarbeitete Fassung einer Dissertation am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien. Empirisch basiert die Arbeit auf der Auswertung von knapp 300 schriftlichen Anträgen auf Aufnahme eines Au-pairs, die zwischen 1980 und 2000 an den Auslandssozialdienst des Katholischen Jugendwerks Österreich gestellt wurden, der Auswertung von 25 Jahresberichten dieser Einrichtung (von 1978 bis 2003) sowie von 10 qualitativen Leitfadeninterviews mit Müttern der Gastfamilien (so nennt Orthofer Familien, die Au-pairs beschäftigen). Damit betrifft der Untersuchungszeitraum die Zeit vor der legalen Vermittlung von Au-pairs aus den ehemaligen Ostblockländern, die seit 2001 durch eine entsprechende EU-Richtlinie möglich wurde und durch die sich der Au-pair-Markt nach Orthofer grundlegend geändert hat: von einem „Bildungsprogramm“ für gebildete junge Frauen mit Abitur zu einem preiswerten „Dienstleistungsprogramm“ für Privathaushalte (S. 321).

Theoretisch eingebettet wird die Arbeit in Diskussionen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Österreich (Kapitel 2). „Die ideologisch und budgetär begründete Zurückhaltung der Politik beim Ausbau von Betreuungseinrichtungen in Kombination mit der nicht geglückten innerfamiliären Umverteilung von Haus- und Familienarbeit bei gleichzeitig steigendem Bedürfnis der Frauen nach (qualifizierter) Erwerbsarbeit hat private Lösungen notwendig gemacht“ (S. 47). Au-pairs bieten damit nach Orthofer die Möglichkeit einer individuellen Lösung für das Problem, bei mangelhaften institutionellen Betreuungsangeboten Kinder wie Karriere zu realisieren (vgl. S. 48). Gäbe es solche privaten Lösungen nicht, würden die Frauen, so vermutet Orthofer etwas vollmundig (angesichts lediglich weniger 100 Au-pairs pro Jahr, vgl. S. 162 f.), ihre Ansprüche stärker an die Kommunen stellen bzw. würden sich weigern, Kinder zu bekommen (vgl. S. 51). Aufgrund einer immer noch starken Mutterideologie würden deutsche wie österreichische Frauen, so Orthofer, außerhäusliche (frühe) Betreuung möglichst vermeiden und Kinder nicht in Betreuungseinrichtungen „abschieben“ wollen (S. 61). Bei den heute herrschenden hohen Ansprüchen an die Erziehung sei kaum eine Betreuungseinrichtung qualitativ ‚gut‘ genug.

Au-pairs werden von gebildeten Mittel- und Oberschichtfamilien mit Kindern nachgefragt. Diese Familien sind nach Orthofer besonders durch eine „traditionelle geschlechtsspezifische Rollenteilung“ (S. 209) mit „extrem berufsorientierten Vätern“ (S. 214) geprägt. Nur die Hälfte der Frauen sei voll erwerbstätig. Motive für die Beschäftigung eines Au-pairs sieht Orthofer unter anderem darin, dass die Frauen Freiräume suchen, um flexibel zu sein und eigenen Interessen nachzugehen.

Orthofer beschreibt zwei historische Wurzeln der Au-pair-Programme: Einerseits galt es zu Beginn als Bildungsprogramm und Kulturaustausch für Mittelschichtmädchen, andererseits liegen die Wurzeln auch in der Geschichte der Dienstboten (Kap. 3). Träger des Au-pair-Systems waren seit dem Beginn, den 1960er Jahren, kirchliche Einrichtungen, die diesen Jugendaustausch auf Non-Profit-Basis organisiert haben. Seit den 1990er Jahren stehen jungen gebildeten Frauen aus Westeuropa, die Kultur und Sprache eines Landes kennenlernen wollen, nun studentische und andere Austauschprogramme für einen Auslandsaufenthalt zur Verfügung. Seit den 1990er Jahren (seit der Öffnung der Grenzen Osteuropas) kommen zunehmend junge Frauen aus Osteuropa zunächst illegal, seit 2001 auch legal nach Österreich. Diese rechtliche Öffnung wurde, so Orthofer, begünstigt durch die konservative ÖVP/FPÖ-Regierung, die eher die Interessen der Familien nach Legalisierung von Haushaltshilfen als die Interessen des Arbeitnehmerschutzes im Blick hatte (vgl. S. 170). Die Vermittlung liegt seit 2001 in Österreich in den Händen von (international tätigen) gewinnorientierten Unternehmen.

Obwohl auch in den vorliegenden Broschüren der Vermittler immer noch die Rede von Bildung und Einführung in die Kultur und Sprache eines Landes ist, stehen heute nach Orthofer andere Interessen im Vordergrund: Die Haushalte haben einen Bedarf an preiswerter Haushaltsarbeit. Die jungen Frauen aus Osteuropa haben Interesse an einem Arbeitsplatz in Westeuropa. Die rechtlichen Bedingungen für Au-pairs in Österreich seien immer noch folgende: Für maximal 25 Wochenstunden Mithilfe im Haushalt steht den Au-pairs ein eigenes Zimmer, Unterkunft, Verpflegung, ein Taschengeld (über die Höhe sagt Orthofer nichts, in Deutschland liegt sie bei 260 Euro monatlich) und die Möglichkeit, Sprache und Kultur kennenzulernen, zu (vgl. S. 128).

Für die Zeit zwischen 1980 und 2000 gewinnt Orthofer aus ihren Materialien (den Selbstdarstellungen der Gastfamilien, die geschrieben wurden, um sich um ein Au-pair zu bewerben, sowie den jährlichen Berichten der kirchlichen Vermittlungsorganisation) den Eindruck einer „eher harmonischen“, „zufriedenstellenden Situation“ (S. 314). Sie zitiert aus den Selbstbewerbungen der Gastfamilien und folgert daraus auch, dass die „Gastfamilien versucht haben, die rechtlichen Vorgaben im Wesentlichen einzuhalten, da in den Bewerbungsbögen nur selten abweichende Erwartungen formuliert wurden“ (S. 314). Aus methodischer Sicht wäre hier jedoch kritisch anzumerken, dass der Rückschluss von den Selbstdarstellungen zu Bewerbungszwecken auf tatsächliche Verhältnisse nicht ganz unproblematisch ist.

Au-pairs selbst wurden nicht befragt. Die Motive für den Au-pair-Aufenthalt wurden indirekt aus den Jahresberichten des Auslandssozialdiensts des Katholischen Jugendwerks sowie aus Arbeiten anderer Autoren und Autorinnen erschlossen. Die Sichtweisen von Au-pairs kommen auch in einigen Erfahrungsberichten, die sie nach ihrem Aufenthalt an die Vermittlungsorganisation geschickt hatten und aus denen im Buch zitiert wird, vor. Auch aus diesen Berichten wird insgesamt auf eine „harmonische“ Situation geschlossen (vgl. S. 304 ff.). Auch diese Verallgemeinerung ist womöglich zu pauschal. Nicht umsonst haben die ‚traditionellen‘ Au-pairs aus dem Westen diesen Weg verlassen, sobald sich ihnen andere Möglichkeiten zum Kulturaustausch boten.

Fazit

Interessant an der vorgelegten Arbeit ist, dass hier die unterschiedlichen historischen Vorläufer des Au-pair-Systems identifiziert und betrachtet werden (Kulturaustausch und Dienstboten) und auch das System der Vermittlung untersucht wird.

In den vorliegenden Arbeiten zur bezahlten Haushaltsarbeit wurden die Arbeitgeberhaushalte bislang selten untersucht. Diese Stärke der Arbeit, die Konzentration auf die Familien mit ihren Ansprüchen (z. B. Vermeidung von institutioneller Betreuung), ist zugleich durch den dadurch entstandenen Mittelschichtbias auch eine Schwäche. So dürften die beschriebene Mütterideologie und auch die Geschlechterverhältnisse in den Familien eher ein Mittel-/Oberschichtphänomen sein. Durch die durchgängige Benennung der Familien als Gastfamilien wird zudem verschleiert, dass es sich hier auch um Arbeitsbeziehungen handelt und die Familien auch als Arbeitgeber angesprochen werden müssten. Eine solche Sichtweise würde stärker die Rechte und Ansprüche der Au-pairs in den Blick rücken. So wird z. B. die Höhe des ‚Taschengelds‘, mit dem die Au-pairs entlohnt werden, weder explizit genannt noch weiter diskutiert.

Die Tatsache, dass seit 2001 über das Au-pair-System Mittelschichtfamilien an preiswerte Haushaltshilfen und Kinderbetreuung kommen, wird zwar konstatiert, auch historisch betrachtet, aber nicht (kritisch) diskutiert. Für die Zeit vor 2001 hält Orthofer das Verhältnis für ein „gegenseitiges, oftmals sogar zu Gunsten des Au-pair gelagert“ (S. 311). Es wäre nun interessant, in weiteren Studien die aktuelle Situation in Österreich, wie sie seit 2001 existiert, genauer zu untersuchen, und zwar verstärkt auch aus einer Arbeitnehmerperspektive. Auch in Österreich könnten sich dabei einseitige Ausnutzungsverhältnisse feststellen lassen (z. B. Hess 2009 für Deutschland). Es wäre auch an der Zeit, über Organisations- und Interventionsformen für Au-pairs nachzudenken.

Literatur

Hess, Sabine (2009): Globalisierte Hausarbeit: Au-pair als Migrationsstrategie von Frauen aus Osteuropa. 2. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Gather, Claudia/Geissler, Birgit/Rerrich, Maria S. (Hg.) (2009): Weltmarkt Privathaushalt. Bezahlte Haushaltsarbeit im globalen Wandel. 2. Aufl. Münster: Verlag Westfälisches Dampfboot.

Irek, Malgorzata (1998): Der Schmugglerzug. Warschau – Berlin – Warschau. Materialien einer Feldforschung: Berlin: Verlag Hans Schiler.

Lutz, Helma (unter Mitarbeit von Susanne Schwalgin (2007): Vom Weltmarkt in den Privathaushalt. Die neuen Dienstmädchen im Zeitalter der Globalisierung. Opladen u. a.: Verlag Barbara Budrich.

Odierna, Simone (2000): Die heimliche Rückkehr der Dienstmädchen. Opladen: Verlag Leske + Budrich.

Rerrich, Maria S. (2006): Die ganze Welt zu Hause – Cosmobile Putzfrauen in privaten Haushalten. Hamburg: Hamburger Edition.

Thiessen, Barbara (2004): Re-Formulierung des Privaten. Professionalisierung personenbezogener, haushaltsnaher Dienstleistung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Tschannen, Pia (2003): Putzen in der sauberen Schweiz. Bern: eFeF-Verlag.

URN urn:nbn:de:0114-qn112117

Prof. Dr. Claudia Gather

Hochschule für Wirtschaft und Recht

Professorin für Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt Wirtschaft und Geschlechterverhältnisse

Homepage: http://www.harriet-taylor-mill.de/startfl.htm

E-Mail: gather@hwr-berlin.de

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