Frauen und ihre Finanzen

Rezension von Susanne Benöhr-Laqueur

R. Johanna Regnath, Christine Rudolf (Hg.):

Frauen und Geld.

Wider die ökonomische Unsichtbarkeit von Frauen.

Königstein im Taunus: Ulrike Helmer Verlag 2008.

320 Seiten, ISBN 978-3-89741-272-9, € 24,90

Anne Laurence, Josephine Maltby, Janette Rutterford (Eds):

Women and their Money 1700–1950.

Essays on women and finance.

New York u.a.: Routledge 2009.

309 Seiten, ISBN 978-0-415-41976-5, € 95,99

Abstract: In beiden Sammelbänden wird das Verhältnis von Frauen zu (ihrem) Geld facettenreich beschrieben und einer profunden Analyse unterworfen. Eigene Erwerbstätigkeit, Unternehmerinnentum und Börsengeschäfte von Frauen sind Beispiele für historische Themen. Angesichts der internationalen, rechtsvergleichenden und interdisziplinären Perspektive eröffnet sich ein neues Forschungsfeld in der Frauenrechtsgeschichte.

Der Physikerin Marie Curie wird der Satz zugeschrieben: „Was man zu verstehen gelernt hat, fürchtet man nicht mehr.“ Ein Verständnis für Geldangelegenheiten wird in unserer Gesellschaft seit jeher den wenigsten Frauen attestiert. Diese Materie überlassen sie vielmehr den Ehemännern oder den männlichen Familienmitgliedern in fast ehrfürchtiger Art und Weise. Selbst Alice Schwarzer, seit mehr als drei Jahrzehnten Frontfrau der deutschen Frauenbewegung, scheute sich nicht, in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung im November 2009 zu behaupten: „Wir Frauen müssen noch lernen, mit Geld umzugehen.“

Aber, so lautet die Frage, ist das Thema Geld für Frauen wirklich seit Generationen verpönt und ein Tabu, und, falls dies so sein sollte, ist dies dann ein typisch deutsches Phänomen?! Diesem interessanten und zugleich facettenreichen Problem widmen sich zwei Bücher, deren Lektüre nicht nur zum Nach-, sondern auch zum Weiterdenken anregt.

Der Sammelband Frauen und Geld. Wider die ökonomische Unsichtbarkeit von Frauen basiert auf Vorträgen der gleichnamigen Tagung des Vereins Frauen & Geschichte in Baden-Württemberg e.V. und der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart, die im Oktober 2007 in Stuttgart-Hohenheim stattfand.

Ausgangsthese der Konferenz war, dass Frauen – dem scheinbar problematischem Verhältnis zu Finanzen zum Trotz – von jeher aktive Beteiligte der ökonomischen Entwicklung waren und sind. Folglich sollten die historischen und sozialwissenschaftlichen Bedingungen näher beleuchtet werden (S. 9). Dabei standen drei Themenbereiche im Mittelpunkt: Zum einen wurde analysiert, welchen Einfluss das Privatleben auf die ökonomische Existenz ausübt (S. 25–114), zweitens wurde beleuchtet, welchen Balanceakten Unternehmerinnen ausgesetzt sind (S. 115–218), und schlussendlich widmete man sich der Frage nach der Genderbudgetierung als einem politisch-ökonomischen Faktor (S. 219–316). Flankiert wird der Hauptteil durch eine ausführliche Einleitung und eine Kurzbiographie der sechzehn Autorinnen. Alle Aufsätze sind mit Fußnoten versehen. Diverse Autorinnen haben zudem ein Quellen- und Literaturverzeichnis angeführt. Grafische Abbildungen, Statistiken und Fotografien vervollständigen das leicht lesbare Werk.

Roter Faden…

Ziel der Untersuchung war es, die aktive Teilhabe von Frauen an der ökonomischen Entwicklung zu beschreiben (S. 9). Dies ist gelungen. Die Behauptung der Herausgeberinnen, dass sich die Rechtsgeschichte wie ein roter Faden durch alle Beiträge zieht (S. 11), kann hingegen nicht aufrechterhalten werden. Von großem rechtshistorischen Interesse sind die Beiträge von Claudia Opitz-Belakhal „Zwischen Luxus und Armut. Frauen und ihr Verhältnis zum Geld in der frühen Neuzeit“ (S. 25–42), Sheilagh Ogilvie „Verheiratete Frauen und Märkte im Württemberg der Frühen Neuzeit“ (S. 43–86), Tatjana Rosendorfer „Geld und Liebe – Geldarrangements in Partnerschaften“ (S. 87–114), Christiane Eifert „Frauen und Geld – die Erfolgsgeschichte. Unternehmerinnen im 19. und 20. Jahrhundert im deutschen Südwesten“ (S. 139–154). In diesen vier Aufsätzen wird der Bogen vom Früher zum Jetzt geschlagen, wobei besonders Südwestdeutschland im Fokus steht; die restlichen Artikel weisen keine bzw. allenfalls indirekte rechtshistorische Bezüge auf.

Zwei dieser Beiträge sind besonders hervorzuheben. Sowohl Claudia Opitz-Belakhal als auch Sheilagh Ogilvie widmen sich der Frühen Neuzeit. Unbestritten ist diese Phase des Frühkapitalismus eine Schlüsselperiode, in der die Grundlagen für die spätere Industrialisierung gelegt wurden und tiefgreifende Veränderungen stattfanden: Frauen verlagerten sich mehr auf Tätigkeiten im Haushalt, während Männer aufgrund ihrer physischen Gegebenheiten verstärkt der Erwerbsarbeit nachgingen und sich dort spezialisierten (S. 43).

Starke Einschränkungen

Ausgangspunkt von Ogilvies stringenter Untersuchung war die Hypothese, dass verheiratete Frauen am ehesten daran gehindert gewesen sein dürften, ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften, da dies zu einer Doppelbelastung geführt hätte und ohnehin der Ehemann als Familienvorstand fungierte (S. 45). Als Quelle dienten 16 Bände (etwa 7000 handschriftliche Seiten) der Kirchenkonventsprotokolle zweier württembergischer Gemeinden im Schwarzwald aus dem Zeitraum von 1648 bis 1800, in denen alle Arbeitsaktivitäten sowohl der Frauen als auch der Männer verzeichnet sind (S. 49). So ließen sich Hinweise auf Erwerbstätigkeit von Frauen in der Landwirtschaft, auf den Märkten, im marktorientierten Gewerbe, aber auch im Dienstleistungsbereich finden (S. 54, 60, 68). Das Forschungsergebnis ist heterogener Natur: Verheiratete Frauen wurden danach keinesfalls grundsätzlich davon abgehalten, ökonomisch tätig zu werden. Begrenzt wurde deren Tätigkeit jedoch, sobald der Ehefrieden in Gefahr war oder sie ohne staatliche Erlaubnis bzw. ohne die eines „sozialen Netzwerkes“ eine Tätigkeit ausübten (S. 76 f.).

Zu dem gleichen Ergebnis gelangt auch Claudia Opitz-Belakhal. Sie folgert daraus, dass in der Frühen Neuzeit Frauen in ein unüberwindliches Dilemma gerieten. Während sie im familiären Innenverhältnis als machtvolle Gestalterinnen auftreten konnten, waren sie doch im Außenverhältnis massiven Beschränkungen unterworfen. De facto hatten sie keinen Zugang zur Mitwirkung im öffentlichen Bereich, zumal ihre Wertschätzung dort eher gering war. Nach der Ansicht der Autorin hat sich Letzteres bis zum heutigen Tage nicht wirklich geändert. In diesem Umstand sieht sie – überaus harsch formulierend – auch den Hauptgrund für die bisherige Blindheit der Wirtschaftswissenschaftler und -historiker für die Bedeutung von Frauen und Geschlechterordnung im Kontext der Geschichte von Kapitalismus und Ökonomie (S. 42).

Entgegen der nach wie vor kolportierten Vorstellung von Ferdinand Tönnies, Auguste Comte und Georg Simmel entsprachen schon in der Frühen Neuzeit Geld und rechnendes Denken sehr wohl der ‚Natur der Frauen‘, und es bestand – argumentiert Sheilagh Ogilvie – folglich auch kein Grund, Frauen vom Umgang mit Geld auszuschließen. Soziale Netzwerke, also die Bürgerschaft und die Zünfte, haben sie freilich oft genug daran gehindert (S. 77).

Gelungene Beteiligung

Das ‚gestörte Verhältnis‘ von Frauen zu Geldangelegenheiten wäre demnach als ein deutsches Phänomen zu qualifizieren, das in der Frühen Neuzeit begann. In diesem Kontext lohnt es sich daher, nach Beispielen in anderen (europäischen) Ländern zu suchen, um diese These zu stützen. Dafür empfiehlt sich die Lektüre des zweiten Sammelbandes: Women and their Money 1700–1950. Essays on women and finance.

In dem durchgehend in englischer Sprache verfassten Werk wird in zwanzig Artikeln das Verhältnis von Frauen zu ihren Finanzen in einem Zeitraum von 250 Jahren analysiert. Ein Schwerpunkt der Untersuchung bilden die Verhältnisse in Großbritannien (neun Artikel), aber auch in den USA (fünf Artikel) sowie in Italien, Schweden, Japan und Deutschland (jeweils ein Artikel). Alle Beiträge verfügen über einen Anmerkungsapparat und zum Teil sehr umfangreiche bibliographische Hinweise.

Ausgehend von der These, dass die entstehenden sozialen Netzwerke in Deutschland die eigene Erwerbstätigkeit von Frauen erschwerten, kommt dem Artikel von Eve Rosenhaft „Womens investors and financial knowledge in eighteenth-century Germany“ (S. 59–72) eine besondere Bedeutung zu. Wie bereits Opitz-Belakhal und Ogilvie misst auch sie der Knüpfung sozialer Netzwerke einen hohen Stellenwert bei. Darüber hinaus betont sie jedoch, dass die Informationen, die sich aus diesen ergaben, auch verstanden und analysiert werden mussten. Während die Kolonialmächte England und Frankreich begannen, in den überseeischen Gebieten zu investieren, und Companies potentiellen Anlegerinnen der Mittel- und Oberschicht ihre Finanzprodukte erklärten, waren diese Informationen in Deutschland lediglich einer kaufmännischen Upper Class zugänglich (S. 62 f.).

Wertpapiere

Dies macht Eve Rosenhaft eindrucksvoll am South See Bubble deutlich. Anfang des 18. Jahrhunderts versprach die Südsee mit dem Handel von exotischen Produkten wie Rohstoffen und Sklaven hohe Profite. In Deutschland investierten 29 Personen in die South Sea Company, darunter waren sechs Frauen. Bemerkenswert sei, dass drei dieser Frauen englische bzw. französische Namen trugen und in Hamburg bzw. Berlin ansässig waren. Die Berlinerinnen entstammten hugenottischen Familien und damit eben der Bevölkerungsschicht, die nicht nur Preußens Finanzsystem modernisierte, sondern auch beste Kontakte zu den europäischen Finanzplätzen pflegte (S. 63 f.).

Selbst Damen des deutschen Hochadels konnten sich, wie Eve Rosenhaft belegt, der Faszination des Wertpapierhandels nicht entziehen und berichteten sich gegenseitig und durchaus kenntnisreich von den neuesten Entwicklungen (S. 64 f.). Freilich begriffen sie – wie im übrigen auch Isaac Newton – zu spät, dass sie in eine Spekulationsblase investiert hatten, und verloren viel Geld. Ähnliches widerfuhr auch einer großen Anzahl von englischen Frauen, die, wie Ann M. Carlos, Karen Maguire und Larry Neal in ihrem Beitrag „Women in the city: Financial Acumen during the South Sea Bubble“ herausstellen, aktive Börsenteilnehmerinnen und damit letztendlich Spekulantinnen waren (S. 43).

Zu einer Zeit, in der deutsche Frauen nur sehr eingeschränkt einer eigenen Erwerbstätigkeit nachgehen konnten, investierten Engländerinnen bereits an der Börse (S. 18). Dies war nicht zuletzt durch eine liberale Gesetzgebung ermöglicht worden. Wie Anne Laurence in ihrem kurzen informativen Artikel „Women and finance in eighteenth-century England“ darlegt, erhielt der Ehemann zwar die Erträge aus Liegenschaften und Anlagen, die Aktien jedoch verblieben im Eigentum der Frau, womit Engländerinnen bereits im achtzehnten Jahrhundert größere Freiheiten als deutsche Frauen besaßen (S. 31).

Fazit

Beide Sammelbände sind uneingeschränkt zu empfehlen. Sie offenbaren, dass Frauen nie ein Verständnis- oder Umgangsproblem in geldlichen Angelegenheiten hatten, solange man(n) sie an sozialen Netzwerken und deren Informationen teilhaben ließ und dies staatlicherseits nicht sanktioniert wurde. Im Bereich der Vergleichenden Rechtsgeschichte zeigt sich ein interessantes internationales Forschungsfeld, das es zu erobern gilt.

URN urn:nbn:de:0114-qn111245

Dr. jur. Susanne Benöhr-Laqueur

Universität Oldenburg

Lehrbeauftragte am Institut für Rechtswissenschaften, WiSe 2009/2010 für das Fach ‚Rechtsvergleichung‘; Rechtsanwaltskanzlei Bremerhaven

Homepage: http://www.sblq.de

E-Mail: dr_benoehr@web.de

Creative Commons License
Dieser Text steht unter einer Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz. Hinweise zur Nutzung dieses Textes finden Sie unter http://www.querelles-net.de/index.php/qn/pages/view/creativecommons