Fragwürdige persönliche Ansichten zu Frauen und Männern

Rezension von Margret Karsch

Hans Erich Troje:

Gegenpositionen.

Aspekte zur Zukunft von Ehe und Familie.

Köln u.a.: Böhlau Verlag 2009.

260 Seiten, ISBN 978-3-412-20342-9, € 39,90

Abstract: Der Sammelband ist in der Reihe „Rechtsgeschichte und Geschlechterforschung“ des Böhlau Verlags erschienen. Er enthält Aufsätze des emeritierten Rechtswissenschaftlers aus den Jahren 1975 bis 1999, die in ideologischer und polemischer Form Positionen zu Familien- und Gleichstellungspolitik formulieren, wie sie in der Geschlechterforschung längst überholt sind.

Um das Fazit vorwegzunehmen: Dieses Buch ist nicht zu empfehlen. Denn für die Geschlechterforschung birgt es keinerlei Erkenntnisgewinn. Im Gegenteil, die in dem Band versammelten Texte aus den Jahren 1975 bis 1999, verfasst von Hans Erich Troje, einem emeritierten Professor des Fachbereichs Rechtswissenschaften an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, bleiben weit hinter dem theoretischen Stand von heute zurück und liefern inhaltlich keine neuen Aspekte zur Zukunft von Ehe und Familie. Darüber hinaus enthalten sie sogar Polemiken gegen gleichstellungspolitische Positionen, die im Erscheinungsjahr 2009 anachronistisch und reaktionär anmuten. Angesichts der Diskrepanz zwischen dem Stand der Geschlechterforschung und der Tiefe der Texte stellt sich die Frage, wieso das Buch in einer Reihe mit dem Titel „Rechtsgeschichte und Geschlechterforschung“ erschienen ist. Unbedingt hätte es einer kritischen Einordnung und sorgfältigen Kommentierung des Herausgebers Stephan Meder bedurft, doch leider hat dieser darauf verzichtet.

In seiner Einleitung formuliert Hans Erich Troje ein treffendes Urteil über seine Texte: „Einige lesen sich wie Beiträge zu Diskussionen einer untergegangenen Welt, wie Nachrichten von einem fernen Stern.“ (S. 1) Doch um aus diesen befremdlichen Beiträgen Nutzen zu ziehen, reicht es nicht, wenn Rundfunkvorträge und Zeitschriftenartikel, die die Ansichten des Autors zu Beziehungen zwischen Frauen und Männern, zu Sexualität und Ehe enthalten, gleichsam als historische Dokumente vorgelegt werden. Dazu hätte zunächst der Stand der jeweiligen Debatte, auf die sich die einzelnen Texte beziehen, nachgezeichnet werden müssen. Dies unterbleibt jedoch. Darüber hinaus enthalten Trojes „Beiträge“ weder Analysen von Ehe oder Familie noch gar Zukunftsentwürfe, wie es der Untertitel nahelegt, sondern vor allem vage Positionen und Polemiken, wie sich schon in der Einleitung ankündigt: „Das Abgleiten der Familienpolitik des Bundesverfassungsgerichts […] lässt sich in der Sprache der ‚politischen Korrektheit‘ gar nicht mehr beschreiben. Ich glaubte lange, sie wissen einfach nicht, was sie tun. Ob mit oder ohne Wissen: die traditionellen Konzepte, die Möglichkeiten der Verwirklichung dessen, was Ehe und Familie sein konnten, sind mit höchstem Juristensegen zerstört worden. […] Das Leben wird ehe- und kinderfeindlicher von Tag zu Tag.“ (S. 3) Woran Troje ein solches „Abgleiten“ zu erkennen meint, auf welcher Grundlage er hier und anderenorts die Kompetenz des Bundesverfassungsgericht in Zweifel zieht, warum er einer Sprechweise, die Diskriminierungen zu vermeiden versucht, einen Seitenhieb erteilt, worin die Möglichkeiten von Ehe und Familie bestünden, inwiefern das Leben seiner Meinung nach immer „ehe- und kinderfeindlicher“ wird – all das bleibt unklar.

Anachronistische Ansichten

Wer könnte Interesse an diesem Buch haben? Vielleicht jemand, der Material sucht, um extreme Positionen in familien- oder gleichstellungspolitischen Diskursen zu analysieren. Etliche Sätze bieten sich dazu an, etwa Trojes Prognose aus dem Jahr 1975: „Die hormonale Empfängnissteuerung wird in dem Maße aus der Mode kommen, wie Frauen sich mit ihrer Körperlichkeit wieder versöhnen, ihren Zyklus in allen Dimensionen (den psychischen zumal) wahrnehmen, erleben und genießen wollen.“ (S. 29) Oder seine sehr eigenwillige Position zum „Blutfluß“ in einem Text von 1976: „Mit diesem flüssigen Gold, dessen Anblick manche Männer auch ohnmächtig macht, stehen die Frauen auf du und du. […] All die langen Jahre der Fruchtbarkeit werden, wenn nicht durch Schwangerschaften, so durch dieses Bluten in liebevolle, überschaubare Zeiteinheiten gegliedert.“ (S. 56) Oder Trojes Feststellungen aus demselben Jahr: „Es gibt nun einmal zwei Sorten Menschen, zwei unterschiedliche Kreaturen, jede mit eigener Lebensweise: unfähig, die Lebensweise der anderen Menschenart nachzufühlen, unfähig, einander zu begreifen – und doch aufeinander angewiesen.“ (S. 61) „Der Arztberuf erscheint uns heute mit Recht als pflegerischer, letztendlich also weiblicher Beruf.“ (S. 62) Aha. Lange keine derart unverblümt biologistische Argumentation mehr gelesen, die die Unterscheidung von ‚sex‘ und ‚gender‘ nicht einmal diskutiert.

Je näher das Entstehungsdatum der Texte an die Gegenwart rückt, desto mehr schwindet die Bereitschaft, dem 1934 geborenen Autor sowie dem Herausgeber den fehlenden Bezug zu den Erkenntnissen der Geschlechterforschung nachzusehen – schließlich ist der Band ja in einer Reihe aus diesem Forschungsbereich erschienen. Ein letztes Beispiel für die darin vertretenen, zumal sich wiederholenden kruden Ansichten: „Zu den zahlreichen Negativa beim Vormarsch der Gleichgeschlechtlichkeit heute rechne ich die Forderung der Anerkennung einer ‚gleichgeschlechtlichen Ehe‘, die natürlich ein Unding ist, insofern sie nicht nur jede Ehe (als Versuch schrittweiser Annäherung und Verständigung zweier Geschlechter) verhöhnt und entwertet, sondern darüber hinaus durch sie auch die historische Funktion gleichgeschlechtlicher Affären und Beziehungen verkannt und deren möglicher Gebrauchswert als homosexueller Heimurlaub vom heterosexuellen Geschlechterkrieg gerade nicht realisiert wird.“ (S. 232) Stil und Inhalt entlarven sich selbst.

Da das Buch nicht die Texte einer Persönlichkeit enthält, deren mögliche Entwicklung und Reflexionen von zeitgeschichtlichem Interesse wären, bleibt offen, wieso der Herausgeber sich dafür entschieden hat, diese Publikation zu unterstützen; es erstaunt und verstimmt doch sehr, dass ein Verlag wie Böhlau so einen Band in seinem Sortiment anbietet. Der 75. Geburtstag des Autors ist ja wohl kaum Grund genug.

URN urn:nbn:de:0114-qn111148

Dr. Margret Karsch

Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Homepage: http://www.berlin-institut.org/ueber-uns/mitarbeiter/dr-margret-karsch.html

E-Mail: karsch@berlin-institut.org

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