Krieg, Geschlecht und Gewalt

Rezension von Veronika Springmann

Insa Eschebach, Regina Mühlhäuser (Hg.):

Krieg und Geschlecht.

Sexuelle Gewalt im Krieg und Sex-Zwangsarbeit in NS-Konzentrationslagern.

Berlin: Metropol Verlag 2008.

299 Seiten, ISBN 978-3-940938-21-3, € 19,00

Abstract: In den letzten Jahren sind die Auseinandersetzung mit den Akteuren und Funktionen von Gewalt und auch die Forschungen und Deutungsweisen zu sexueller Gewalt forciert worden. Der Tagungsband versammelt neue Forschungsbeiträge und Interpretationsmuster zu sexueller Gewalt im Krieg und Sex-Zwangsarbeit in NS-Konzentrationslagern, um erstens den aktuellen Stand der Forschung aufzuzeigen und zweitens nach künftigen Perspektiven zu fragen. Die Aufsätze informieren hervorragend über aktuelle Fragen und Debatten zu diesen Themen.

„Die Scham einer Vergewaltigung [hat] immer auf Seiten des Täters zu liegen“, so Gabriela Mischkowski, eine der Mitbegründerinnen von medica mondiale e.V. Dieser Satz spiegelt leider nicht das Selbstverständnis derjenigen wider, die sexuelle Gewalt erlitten haben. Der Film Esmas Geheimnis (Grbavica) erzählt die Geschichte einer Frau aus Sarajewo, die während der Jugoslawienkriege Opfer einer Vergewaltigung wurde. Ihrer Tochter Sara wird sie später erzählen, dass ihr Vater ein im Krieg gefallener bosnischer Kriegsheld gewesen sei. Zu groß ist die Scham über die erlittene sexuelle Gewalt. Der deutsche Regisseur Hans Christian Schmidt greift in seinem Film Der Sturm, der 2009 auf der Berlinale gezeigt wurde, dieses Thema auf. Eine Anklägerin überredet eine Frau, die ebenfalls Opfer von sexueller Gewalt während der Jugoslawienkriege wurde, als Zeugin in Den Haag aufzutreten. Der Internationale Gerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) ermittelte als erstes internationales Gericht gegen sexuelle Gewalt in kriegerischen Auseinandersetzungen. Vergewaltigung wurde damit als eigenständiges Kriegsverbrechen anerkannt. Möglich gemacht haben diesen Umgang mit sexueller Gewalt, sowohl auf der juristischen Ebene, aber auch in künstlerischen Repräsentationsformen, intensive Diskussionen und Forderungen vieler Feministinnen.

Insa Eschebach, die Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, und Regina Mühlhäuser, Mitarbeiterin des Hamburger Instituts für Sozialforschung, haben einen Sammelband vorgelegt, der sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit dem Thema der sexuellen Gewalt im Krieg auseinandersetzt. Der Band geht zurück auf die Ravensbrücker Sommeruniversität 2007 zum Thema „Zwangsprostitution und Krieg im 20. und angehenden 21. Jahrhundert“. Vorgestellt werden darin theoretische Ansätze zur Erklärung von Ursachen und Funktionen von sexueller Gewalt, empirische Studien zu sexueller Gewalt und Zwangsprostitution sowie der Repräsentation von sexueller Gewalt und NS-Zwangsprostitution in Rechtsprechung und Ausstellungen.

Begriffe

Die Festlegung auf den Begriff der sexuellen Gewalt bzw. auf den der Sex-Zwangsarbeit ergibt sich aus der Position der Herausgeberinnen innerhalb aktueller Debatten, die zeigen, wie vermint die Themen sind und welche politischen und moralischen Implikationen bestimmte Begriffe enhalten. Die Frauen, die in den Häftlingsbordellen der Konzentrationslager arbeiten mussten, erhielten lange keine Entschädigung, da sie meistens zur Gruppe der sog. asozialen Häftlinge gehörten, die von Entschädigungen ausgeschlossen waren. Darüber hinaus wurde die Arbeit als Prostituierte lange nicht als Zwangsarbeit anerkannt, was u. a. auf die gesellschaftliche Stigmatisierung von Prostitution im Allgemeinen zurückzuführen ist.

In den ersten Veröffentlichungen zu den KZ-Bordellen und den „comfort stations“, also jenen Bordellen, die die japanische Regierung während des Zweiten Weltkrieges für ihre Soldaten einrichtete, wurde von „Zwangsprostitution“ gesprochen. Trotz der Vorsilbe „Zwang“ wurde der Zwangscharakter jedoch nicht anerkannt, sondern den Frauen, die in diesen Bordellen arbeiten mussten, Freiwilligkeit unterstellt. Dass für die Häftlingsbordelle in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern oft Frauen ausgesucht wurden, die zuvor als Prostituierte gearbeitet hatten, stützte diese Unterstellung. Inzwischen wird die Bezeichnung Sex-Zwangsarbeit verwendet, der von den österreichischen Wissenschaftlerinnen Helga Amesberger, Katrin Auer und Brigitte Halbmayr (Sexualisierte Gewalt. Weibliche Erfahrungen in NS-Konzentrationslagern. Wien 2000) eingeführt wurde. Damit soll deutlich gemacht werden, dass die Bordelle als Teil des NS-Zwangsarbeitsystems eingerichtet wurden, die Frauen also Verfolgte des NS-Systems waren und ihnen als Opfern dieses Terrorsystems Entschädigung und Anerkennung zusteht.

Ein weiterer Begriff, den die Herausgeberinnen in der Einleitung diskutieren, ist der der sexuellen Gewalt. In der deutschen Forschung hat sich der Begriff der „sexualisierten Gewalt“ durchgesetzt, der, wie die Autorinnen ausführen, auf Susan Brownmiller (Gegen unseren Willen. Vergewaltigung und Männerherrschaft. Frankfurt am Main 2000) zurückgeht. Nicht die Sexualität, sondern die Gewalt, die Frauen „erniedrigt, demütigt und zerstört“ (S. 29), ist hier der Ausgangspunkt. Der Begriff „sexualisierte Gewalt“ soll diese Trennung spiegeln. Außerdem fasst der Begriff „sexualisierte Gewalt“ – nach Meinung etwa von Amesberger/Auerbach/Halbmayr – nicht nur die körperliche Gewalt, sondern vielmehr auch Dimensionen der strukturellen Gewalt. Demgegenüber betonen Insa Eschebach und Regina Mühlhäuser, dass „auch gewaltsamer Sex Sexualität ist: Ein Vergewaltiger empfindet Lust, er genießt seine sexuelle Übermacht […]. Und diejenigen, die in einer solchen Situation Ohnmacht erfahren, sind nicht nur mit den Aggressionen des Angreifers konfrontiert, sondern auch mit seiner sexuellen Übermacht“ (S. 30). Daher verwenden sie den Begriff der „sexuellen Gewalt“.

Bereits diese Debatte zeigt, wie kompliziert und geprägt von Voreingenommenheiten gegenüber dem tatsächlichen Wissen dieses Thema ist. Ob beispielsweise die Täter tatsächlich Lust empfinden, ist letztendlich ebenso wenig geklärt wie die Frage, wer letztlich die Täter sind. Geht es im Fall der Vergewaltigungen tatsächlich um einen gewalttätigen, die Intimitätsgrenzen verletzenden Übergriff, werden Frauen im Fall der Sex-Zwangsarbeit zu einer sexuellen Dienstleistung gezwungen. Die direkte physische Gewalt liegt hier nun aber nicht zwingend bei den Freiern, sondern bei den Zuhältern. Vermutlich ist hier einer der großen Unterschiede zwischen „comfort stations“ und den Häftlingsbordellen in den NS-Konzentrationslagern auszumachen. Die Frauen, die als „comfort women“ arbeiten mussten, waren, wie Myung-Hye Kim ausführt, ständig gewalttätigen Übergriffen seitens der Soldaten ausgesetzt.

Deutungsweisen

Wie intensiv die Debatten waren und immer noch sind, zeichnet Pascale R. Bos in ihrem Beitrag über „Feministische Deutungen sexueller Gewalt im Krieg“ nach. Ausgelöst durch die Vergewaltigungen in den Jugoslawienkriegen 1992–1993 begann in Deutschland eine Debatte über die Vergewaltigung von Angehörigen der weiblichen deutschen Zivilbevölkerung durch die Rote Armee. Zwei Ansätze macht Bos in den Diskussionen aus: den Sexismus- und den Genozid-Ansatz. Während bei ersterem Frauen als „kollektives Ziel und Objekt von Vergewaltigungen“ gesehen werden, fokussiert letzterer auf die „ethnische und rassische Zugehörigkeit der Frauen“. (S. 105) Die Erklärungen für die Vergewaltigungen im Jugoslawienkrieg folgen vor allem dem Genozid-Ansatz, der davon ausgeht, dass die Vergewaltigungen der bosnisch-muslimischen Frauen kriegsstrategisch motiviert und Teil einer „ethnischen Säuberung“ waren. Gabriele Mischkowski gibt in ihrem Gespräch mit Regina Mühlhäuser demgegenüber zu bedenken, dass Vergewaltigung eine „geschlechtsspezifische“ Gewalt sei, die sich vor allem gegen Frauen richte. Sie befürchtet, dass Vergewaltigung mit der Fokussierung auf Völkermord „nicht mehr als geschlechtsspezifische Gewalt gesehen wird, sondern als Mittel zum Zweck, um die gegnerische Gemeinschaft auszulöschen.“ (S. 245).

Einige Autorinnen des Bandes weisen jedoch darauf hin, dass Frauen nicht nur Opfer von sexueller Gewalt, sondern auch Täterinnen sind. Darüber hinaus ist sexuelle Gewalt auch eine gegen Männer gerichtete Gewalt. Werde sexuelle Gewalt ausschließlich männlich konnotiert, seien „Frauen […] nicht nur Opfer, die es schlimm getroffen hat, sondern überhaupt nur Opfer“ (S. 123), so Pascale R. Bos kritisch in ihrem Beitrag.

Dieser Aufsatz macht deutlich, zwischen welchen Polen sich die Auseinandersetzung bewegt. Auch wenn die UN-Resolution 1820 „women and peace and security“ von Juni 2008 völkerrechtlich ein wichtiger Meilenstein ist, stellt sich auch hier die Frage nach dem zugrunde liegenden Weiblichkeitsbild: Frauen werden als verletzliche und potenzielle Opfer markiert, während Männern die Rolle der Beschützer zugewiesen wird. Ein bekanntes Schema also.

Geschlecht/Männlichkeit/Ethnizität

Männlichkeitskonstruktionen sind ein zunehmend wichtiges Feld in der Analyse von Gewalt als sozialer Praxis und damit auch von sexueller Gewalt. Miranda Alison fragt in ihrem Beitrag „Sexuelle Gewalt in Zeiten des Kriegs. Menschenrechte für Frauen und Vorstellungen von Männlichkeit“ danach, welche Bedeutung die jeweils hegemoniale Männlichkeit für das Vorkommen von sexueller Gewalt in kriegerischen Auseinandersetzungen hat. Ein wichtiger Punkt ist gewiss, dass Militär direkt mit Männlichkeit assoziiert wird. Mit Bezug auf Robert W. Connell betont Alison weiter, dass auch Heteronormativität wichtig für die hegemoniale Männlichkeitskonstruktion sei. Weiter versucht sie, die Kategorie Ethnizität in die Analyse einzubeziehen. Dass, wie sie betont, in Zeiten des Konflikts neben „männlich“ und „weiblich“ auch andere „binäre Konstruktionen“ geschaffen werden (S. 41), ist eine Grundvoraussetzung für jede kriegerische Auseinandersetzung. Das allein ist jedoch noch keine ethnisierte Konstruktion von Männlichkeit. Zu pauschal ist auch Alisons Urteil, dass in jedem Krieg sexuelle Gewalt zu einem akzeptierten Merkmal militärischer Männlichkeit werde ( vgl. S. 41). Nicht in allen Kriegen kommt es zu massenhafter sexueller Gewalt, wie Elisabeth Jean Wood anhand von Beispielen darlegt. Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass, wie im Fall der israelischen Armee, Frauen auch Soldatinnen sind. Um der Vorstellung von ethnischer Säuberung durch Vergewaltigung und erzwungenen Schwangerschaft folgen zu können, wird der Glaube an eine Patrilinearität sowie der Glaube an die besonders dominante Männlichkeit der eigenen Ethnie benötigt (Miranda Alison). Hier wird deutlich, dass die Vorstellungen des Täters nicht zwangsläufig kongruent mit denen des Opfers sind. Das zeigte der Film Esmas Geheimnis: Die von serbischen Soldaten vergewaltigte Esma wird später behaupten, der Vater ihrer Tochter Sara sei ein gefallener bosnischer Soldat gewesen. Also gehe hier die Idee der ethnischen Säuberung durch erzwungene Schwangerschaft nicht auf. Was aber funktioniere und als bedrückende Konstante auszumachen sei, ist die Scham derjenigen, die Opfer von sexueller Gewalt geworden sind.

Schweigen und Stigmatisierung

In der Forschung zu Gewalt wird immer wieder darauf hingewiesen, dass es fast unmöglich sei, der erlittenen Gewalt und dem Schmerz eine Sprache zu geben. Folgt man dem Beitrag von Myung-Hye Kim, dann ist dies bei sexueller Gewalt umso mehr der Fall. Die Opfer sind sowohl mit der gesellschaftlichen Stigmatisierung als auch mit der eigenen Scham konfrontiert; beide Momente prägen die Narrationen, denen die Opfer von sexueller Gewalt in ihren Erzählungen folgen. Myung-Hye Kim analysiert in ihrem Beitrag „Narrative Darstellung und Produktion von Wissen“ die Erzählstrukturen in den Texten koreanischer Frauen, die während des Zweiten Weltkrieges in japanische Bordelle für Soldaten verschleppt und zur Prostitution gezwungen wurden.

Regina Mühlhäuser, die die „sexuelle Gewalt durch Wehrmacht und SS in den besetzten Gebieten der Sowjetunion 1941–1945“ untersucht, spricht in Anlehnung an Sharon Marcus von einem „rape script“, um deutlich zu machen, dass es „bestimmte Vorstellungen, den Ablauf, die Deutung und die Sprache von Vergewaltigung gibt“ (S. 171). Eine Form des „rape scripts“ während des Vernichtungskriegs in der Sowjetunion ist die der „Vergewaltigung eines jungen Mädchens“ (S. 171).

Robert Sommer fragt in seinem Beitrag „Warum das Schweigen“ danach, aus welchen Gründen die Existenz von Häftlingsbordellen in nationalsozialistischen Konzentrationslagern so lange tabuisiert wurde. Die Frauen, die in diesen Bordellen arbeiten mussten, waren lange stigmatisiert und mit negativen Zuschreibungen konfrontiert. Das Vorurteil, das sich am hartnäckigsten hielt, war das der Freiwilligkeit: „der Mythos von der freiwilligen Meldung der Frauen [hat] sich bis heute hartnäckig gehalten“, so auch Brigitte Halbmayr (S. 138). Die Frauen hätten sich, so die irrige Annahme, freiwillig für die Arbeit in den Bordellen gemeldet, um Vergünstigungen zu erhalten. Ignoriert werde hier der „Zwang“, der diesem System zugrunde lag. In beiden Beiträgen wird vor allem deutlich, gegen welche moralischen Unterstellungen beim Thema Sex-Zwangsarbeit angegangen werden muss. Keinem anderen KZ-Häftling werde vorgeworfen, für Vergünstigungen etwas getan zu haben.

Verschwiegen wurde ebenfalls lange, dass sexuelle Gewalt durch deutsche Männer „ein fester Bestandteil des Vernichtungskriegs“ gewesen sei, wie Regina Mühlhäuser in ihrem Beitrag konstatiert (S. 169). Birgit Beck vertrat 2004 die These, dass bei den Vergewaltigungen durch Wehrmachtssoldaten nicht von einer militärisch befohlenen Strategie gesprochen werden könne. Dieser Befund bedeutet jedoch nicht, wie Regina Mühlhäuser in ihrem Beitrag betont, dass es selten zu sexueller Gewalt gekommen sei. Berichte von Zeitzeuginnen lassen vielmehr auf das Gegenteil schließen. Der Verstoß gegen die NS-Rassegesetze war bei sexuellem Kontakt mit sowjetischen Frauen und Jüdinnen im Hinblick auf die Bestrafung von sexueller Gewalt nicht besonders relevant. Zwar reagierte Heinrich Himmler mit einer Anordnung, die besagte, es sei jeder „Fall des Geschlechtsverkehrs von Angehörigen der SS und Polizei mit einer Frauenperson […], die nicht Volksdeutsche ist“, zu melden (S. 183). Regina Mühlhäuser weist jedoch darauf hin, dass die Praxis eine andere war; in vielen Fällen konnten die Soldaten davon ausgehen, „dass die Regelungen in der Sowjetunion relativ locker gehandhabt würden.“ (S. 183). Und schließlich wurde dann auch Himmler von Richtern der SS- und Polizeigerichte in Polen und den „besetzten Ostgebieten“ empfohlen, „das Verbot ‚unerwünschten Geschlechtsverkehrs‘ vorübergehend außer Kraft zu setzen. Befürchtet wurde, dass zu viele Angehörige der SS und Polizei verurteilt werden müssten (S.184).

Repräsentationen

Wie lassen sich nun aber die Themen sexuelle Gewalt und Sex-Zwangsarbeit bei all diesen Voreingenommenheiten und Stigmatisierungen darstellen? Ein wichtiger Aspekt ist hier sicherlich, wie Insa Eschebach und Katharina Jedermann betonen, den Opfern ihren Subjektstatus (zurück) zu geben; denn gerade dieser wurde den Frauen bei ihrer Arbeit in den Bordellen genommen. Fatalerweise wird aber genau dieser Verlust eben dann weitergetragen, wenn als Paradigma angenommen wird, sei es in der Forschung, der juristischen Aufarbeitung oder in Ausstellungen, dass eben jede Frau ein potenzielles Opfer von sexueller Gewalt ist.

Fragen und Perspektiven

Im Sammelband wird deutlich, wie kompliziert die Debatte um sexuelle Gewalt nach wie vor ist. Das beginnt bereits bei der Definition dessen, was genau mit dem Begriff sexuelle/sexualisierte Gewalt gemeint ist. Folgt man der Definition der strukturellen Gewalt von John Galtung, wie z. B. Brigitte Halbmayr, wird das, was sexualisierte Gewalt sein kann, sehr weit gefasst; bleibt man bei der Gewaltdefinition von Heinrich Popitz, nach der Gewalt das körperliche Antun ist, geraten Demütigungen aus dem Blick. Dazu kommt, dass im Falle der sexuellen Gewalt im Krieg das strukturelle Machtverhältnis die Voraussetzung für das gewalttätige Handeln der Akteure bildet. Weil Soldaten nach wie vor in den meisten Fällen Männer sind und die Zivilbevölkerung entsprechend überwiegend aus Frauen besteht, sind vor allem Frauen von sexueller Gewalt betroffen. Dass sich dies verändert, wenn Frauen ebenfalls aktiver Teil des Militärs sind, zeigt der Beitrag von Elisabeth Jean Wood. Um auch die sexuelle Gewalt gegen Männer zu thematisieren, ist also ein genauer Blick auf die jeweilige Figuration und deren Akteure notwendig. Das gilt genauso für die Frage nach Ethnizität, die ja nicht nur von den Tätern genutzt wird wie im Falle der versuchten „ethnischen Säuberung“; auch die Opfer stützen sich auf ethnische Konstruktionen wie im Falle der Vergewaltigungen durch die Rote Armee. Hier folgten die Frauen in ihren Erzählungen der NS-Rassenideologie, wenn sie von den „barbarischen Untermenschen“ sprachen. Gabriela Mischkowski warnt hier zu Recht davor, Vergewaltigung als eine Tat zu betrachten, die „Gesellschaften angeht, die eher rückständig und damit sowieso als gewalttätig gelten“ (S. 245). Es ist eine beeindruckende Leistung der beiden Herausgeberinnen, im vorliegenden Band durchweg hochqualifizierte Beiträge versammelt zu haben, in denen diese Fragen in empirischen Studien behandelt, zentrale Probleme der aktuellen Debatte aufgenommen und zukünftige Forschungsperspektiven aufgezeigt werden.

URN urn:nbn:de:0114-qn103145

Veronika Springmann

Carl von Ossiezky Universität Oldenburg

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