Mannsein (oder Nichtsein) im Hollywoodfilm der 50er Jahre

Rezension von Asokan Nirmalarajah

Uta Fenske:

Mannsbilder.

Eine geschlechterhistorische Betrachtung von Hollywoodfilmen 1946–1960.

Bielefeld: transcript Verlag 2008.

348 Seiten, ISBN 978-3-89942-849-0, € 30,80

Abstract: Uta Fenske beschäftigt sich in ihrer Dissertation mit den Männlichkeitsentwürfen des klassischen Hollywoodfilms der 1950er Jahre. Die Historikerin blickt damit zurück in eine Ära US-amerikanischer Geschichte, in der soziokulturelle Umbrüche zu einer Erschütterung tradierter Männlichkeitsbilder, zu einem Krisendiskurs über den modernen Mann führten. Fenskes kulturwissenschaftliche Studie kann sich dabei aus zweierlei Sicht profilieren. Zum einen erweitert sie mit der unorthodoxen Wahl ihres Untersuchungsgegenstandes das geschichtswissenschaftliche Quellenkorpus. Zum anderen kann sie durch ihren Rekurs auf eine Vielzahl von Genres zeigen, dass die Hollywoodfilme der 1950er eine größere Fülle an Antworten auf die Krise anbieten als gemeinhin angenommen.

Die Häufigkeit, mit der seit den 1990er Jahren von einer Krise der Männlichkeit gesprochen wird, mag mitunter den Eindruck erwecken, es handle sich dabei um einen relativ neuen Diskurs. In den Masculinity Studies ist es allerdings seit langem ein Gemeinplatz, dass sich die westliche Kulturgeschichte des letzten Jahrhunderts gerade auch als eine Geschichte von männlichen Krisenmomenten erzählen lässt. Als eine besonders krisenhafte Ära amerikanischer Geschichte gelten dabei die 1950er Jahre. Dieses Jahrzehnt, das hat die angloamerikanische Männlichkeitsforschung wiederholt ausgeführt, ist deshalb so interessant, weil die soziokulturellen Umbrüche der Nachkriegszeit eine Erschütterung tradierter Männlichkeitsbilder bedingten und von den amerikanischen Männern gesellschaftliche Neuorientierungen forderten.

Nach einigen einleitenden Überlegungen zu dem derzeit großen Medieninteresse an marginalen Männlichkeiten am Beispiel der aufsehenerregenden homosexuellen Cowboy-Romanze Brokeback Mountain (2005) blickt auch Uta Fenske in ihrer Studie der „Mannsbilder“ des klassischen Hollywoodkinos zurück in die 1950er. Ihre erneute Zuwendung zu einem bereits sehr ausgiebig behandelten Feld der Men’s Studies kann sich dabei aus zweierlei Sicht profilieren. Zum einen greift die Historikerin zurück auf Spielfilme als historische Quellen, in denen sich nach den Prämissen des New Historicism die sozialen und politischen Spannungen der Jahre 1946 bis 1960 besonders prononciert an der Schnittstelle Gender aufzeigen lassen. Zum anderen beschränkt sie sich nicht nur auf die Analyse der Männlichkeiten eines Filmgenres, sondern nimmt gleich mehrere Genres hinsichtlich ihrer unterschiedlichen Gender-Konfigurationen in den Blick. Das durchaus begrüßenswerte Ziel der Arbeit ist es also, das breite Spektrum der nebeneinander bestehenden Männlichkeiten einer Ära herauszustellen, die in der Vielfalt ihrer Antworten auf den männlichen Krisendiskurs dessen narzisstische Opferrhetorik transgredieren und dessen impliziten Wunsch nach einer Wiederherstellung und Stabilisierung männlicher Hegemonie zuweilen auch unterlaufen.

Geschichtswissenschaft anhand von Spielfilmen

Mit dem Anschluss an Tendenzen in der amerikanischen Forschung betritt Fenske in ihrer Dissertation noch relatives Neuland für die deutsche Geschichtswissenschaft. Sie geht in Anlehnung an Stephen Greenblatt davon aus, dass alle Texte ihre semantischen Besetzungen aus kulturellen und historischen Kontexten beziehen (vgl. S. 31). Eine Hierarchisierung kultureller Objektivationen bezüglich ihres Authentizitätsgehaltes erscheint der Historikerin deshalb als wenig praktikabel: Sie plädiert stattdessen für die Erweiterung des Quellenkorpus der Geschichtswissenschaft um weitere, fiktionale Texte einer Kultur, da sie Auskunft über den historischen Wissenstand, die Wünsche und Vorstellungen einer Kultur geben könnten (vgl. S. 27). Hierfür werden in den Einzelanalysen der Filme auch die Wechselwirkungen mit den umgebenden Diskursfeldern untersucht und die Studie damit produktiv zwischen den Disziplinen der Geschichts-, Kultur- und Filmwissenschaften positioniert.

Um diesen für die Geschichtswissenschaft wohl noch etwas problematischen Ansatz zu etablieren, stellt Fenske ihren Lektürekapiteln ein langes Kapitel zu den theoretischen und methodischen Prämissen der Arbeit voran (vgl. S. 21–68). Darin rekapituliert sie die bisher angespannte Beziehung zwischen der Geschichtswissenschaft und dem Medium Spielfilm und plädiert für die Anerkennung des dokumentarischen Wertes des Films. Ihr Anliegen ist es, den Spielfilm als einen diskursiven Knotenpunkt zu nobilitieren (vgl. S. 30) und anhand von filmtheoretischen und narratologischen Konzepten herauszuarbeiten, welche Bedeutungsangebote er dem zeitgenössischen Publikum machte und welche Rückschlüsse er dem heutigen Zuschauer, der heutigen Zuschauerin auf die gesellschaftlichen Spannungen zur Zeit seiner Entstehung erlaubt (vgl. S. 68). Im Zentrum der Filmlektüren steht dabei Gender als eine soziokulturelle Konstruktion, die für Fenske mit Rekurs auf Judith Butler über die Performativität und Diskursivität von Geschlecht entsteht und sich somit in der Narration der Spielfilme besonders deutlich als eine oft idealisierte Inszenierung von Geschlecht perspektivieren lasse (vgl. S. 15).

Idealisierte und versehrte Männlichkeit(en)

Mit ihrem „Ziel, anhand von Spielfilmen zu untersuchen, welche Bedeutungen Mann-Sein in den Jahren 1945 bis 1960 haben konnte“ (S. 11), widmet sich Fenske in ihren Lektürekapiteln der weitestgehend chronologischen Betrachtung einer großen Anzahl ausgewiesener Klassiker der Forschung (etwa All That Heaven Allows, 1955) und weniger renommierter Filme verschiedenster Genres (u. a. Film noir, Musical, Melodram, Kriegsfilm, Sci-Fi und Western). In ihren close readings von achtzehn Hollywoodfilmen, die sie je nach Perspektivierung des Sujets krisenhafter Männlichkeit in Dreiergruppen unterteilt, zeigt sie, wie in den Filmen „eine beträchtliche Anzahl verschiedener Entwürfe inszeniert wurde, die ein breites Spektrum an Konflikten und Paradoxa bieten und sich einer allzu einfachen und widerspruchsfreien Kategorisierung entziehen“ (S. 11). Die Lektürekapitel unterteilen sich dabei in zwei große Blöcke.

Im Kapitel „Antworten auf den Krieg“ behandelt Fenske Filme über physisch und/oder psychisch versehrte Kriegsheimkehrer wie The Men (1950), Filme über souveräne, stoische Individualisten wie The Fountainhead (1949) sowie Filme über verantwortungsvolle, bürgerlich-konforme Vaterfiguren wie The Man in the Gray Flannel Suit (1956). Fenske illustriert anhand dieser Filme, wie sich der Hollywoodfilm stets explizit oder implizit rückbezogen auf den Zweiten Weltkrieg und auf seine sozialen Auswirkungen an einem männlichen Krisendiskurs abarbeitete und nach Antworten auf die Krise suchte. Dabei komme es in den Filmen oft zu einer genrespezifischen Problematisierung des hegemonialen Konzepts von Männlichkeit (R. W. Connell), da sie neben idealtypischen Männern stets auch marginalisierte Männlichkeiten präsentieren. Letztere finden sich vor allem im Kapitel „Ausreißversuche“, das sich dann Filmen über handlungsbeschränkte, sich in Selbstmitleid flüchtende Männer wie Written on the Wind (1956), Filmen über jugendliche Rebellion wie The Wild One (1953) und über homosexuelle Neigungen wie Tea and Sympathy (1956) widmet, um dann mit der Betrachtung von Filmen über die ‚Zähmung‘ lebensfroher, verantwortungsloser Playboys wie An Affair to Remember (1957) zu schließen. Fenskes genreübergreifende Analyse erlaubt es ihr somit, den in der Nachkriegszeit als dominant gewerteten Männerrollen des Individualisten und Versorgers weitere, mindestens ebenso wichtige Männlichkeitsbilder an die Seite zu stellen.

Männlichkeitsrepräsentation als dauerhafter Krisenzustand

Fenske kommt in ihrer Analyse von Spielfilmen als fiktionale Verhandlungsräume gesellschaftlicher Spannungen zu dem Schluss, dass die filmische Inszenierung von Männlichkeit ohne einen Krisendiskurs nicht denkbar ist. Da Gesellschaftsmodelle einem stetigen Wandel unterliegen, unterliegen auch Männlichkeitsbilder einer ständigen Veränderung, und Männlichkeit befindet sich damit in einer kontinuierlichen Krise der Repräsentation (vgl. S. 319). Die geschlechterhistorische Studie der Hollywoodfilme der Nachkriegszeit zeigt ferner, dass gerade die 1950er keine „Zeit des Konsenses und damit eine[] Zeit eines monolithischen Männlichkeitsmodells“ waren (S. 310). Auch wenn Fenske mit ihrer Untersuchung in inhaltlicher Hinsicht den Men’s Studies und in methodischer Hinsicht der Kulturwissenschaft nichts wesentlich Neues zu erzählen hat, kann die Studie durch ihre zusammenfassende Rekapitulation der Männlichkeitsentwürfe einer bedeutsamen Ära, durch ihre kritische Auseinandersetzung mit dem Krisendiskurs des modernen Mannes und durch ihren Beitrag zur geschichtswissenschaftlichen Nobilitierung von Spielfilmen überzeugen.

URN urn:nbn:de:0114-qn103215

Asokan Nirmalarajah

Universität zu Köln

Wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl von Prof. Dr. Claudia Liebrand im Institut für Deutsche Sprache und Literatur I, Universität zu Köln seit August 2007; Lehrbeauftragter am Institut für Deutsche Sprache und Literatur I, Universität zu Köln seit April 2009

E-Mail: asokan.nirmalarajah@t-online.de

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