Datenbank zur Frauenbewegung in Ost und West

Rezension von Marina Krug

Barbara Petersen, Bärbel Mauss:

Datenbank „Inventar Frauenbewegung in Deutschland 1968–1952“.

Homepage, http://www.ffbiz.de/inventar/smindex.htm, Zugriff: 2001

Abstract: Das „Inventar zur Neuen Frauenbewegung in der BRD und DDR“ dokumentiert die vielfältigen Formen neuer Frauenbewegung in Ost und West. In rasch sich aufbauenden Datensätzen mit den dokumentierten Medien finden sich adäquate Informationen zu den Begriffen: Orte, Personen, Bestand, Titel, Sachbegriffe, Erfassungsstelle, Abbildung, Annotation, Format, Veranstaltungsdatum, Jahr, Signatur. Über eine unkomplizierte Hilfe-Funktion können Infos zur Bedienung und den technischen Voraussetzungen abgerufen werden. Die Möglichkeit eines ersten Durchblätterns des gesamten Bestandes bietet der Menübereich Inventar. Von den angezeigten Datensätzen ist ein einfaches Springen zu den vorhergehenden oder folgenden Dokumenten, Fotos, Plakaten etc. oder zurück zur Suchmaske möglich, wobei die Suchfunktion so benutzerfreundlich konzipiert wurde, dass Resultate einer Abfrage solange angezeigt werden bis sie durch neue überschrieben werden.

Los gehts – in Richtung West?

Auf der Startseite bietet eine übersichtliche Menüleiste unter „Information“ Erläuterungen zu Inhalt und Nutzungsmöglichkeiten der Datenbank: Archivalische Materialien aus der BRD und der DDR von 1968 bis 1995 sollen Informationen bieten für Studium und Forschung zu den sozialen Bewegungen von Frauen in beiden deutschen Staaten, für Geschichtsschreibungen der queer- und Lesbenbewegung, für Frauen- und Geschlechterforschung sowie für Medien- und Institutionenforschung. Wird dieser nicht geringe Anspruch durch die erfassten Dokumente erfüllt?

Die „frühe Organisationsgeschichte der westdeutschen Frauenbewegung, andererseits die staatsunabhängige Frauenbewegung der DDR“ erfahren eine besondere Würdigung, weshalb besonders die Bestände zu Initiativgruppen dokumentiert wurden. Es folgt eine Aufzählung dieser Gruppen, doch sind diese entgegen dem eigenen Anspruch alle Bestandteil der westdeutschen Frauenbewegung.

Die im Inhaltsverzeichnis berücksichtigten Themen der Datenbank richten den Blick der Nutzer/-innen fast ausschließlich nach Westdeutschland: Projekte, Zusammenhänge, Aktionen, Medien, Theorien und Feste…. Erst auf Platz elf erscheint schüchtern in Klammern hinter dem Begriff „Frauenfriedensbewegung“ der Zusatz „Ost-/Westdeutschland“. Doch weiter im Text: Netzwerke werden genannt, auch das Thema Hexen springt ins Auge, es folgen Frauenverbände und Parteien. Aha, jetzt geht’s wohl tiefer in den Osten? Wirklich ganz zum Schlußerscheint die oppositionelle Frauen/Lesbenbewegung in der DDR.

Die Erklärung der Herausgeberinnen, die Datenbank erfasse Materialien, Archive und Einrichtungen nicht vollständig, tangiert ein anderes Problem: die Notwendigkeit, eine Auswahl zu treffen.

Lücken im Text …

Oder: umfassend sind die Themen West, die Themen Ost jedoch nicht. Lag es wirklich an fehlenden zeitlichen Ressourcen, passende Begrifflichkeiten zur systematisierenden Beschreibung der Frauenbewegung im Osten zu finden? Ansprechpartnerinnen, die helfen würden, im Dialog Lücken zu füllen, listet die Datenbank selbst auf. Einige Vorschläge an dieser Stelle, mit welchen Begriffen, die in den Datensätzen selbst schon erscheinen, der letzte thematische Punkt „Die oppositionelle Frauen- und Lesbenbewegung in der DDR“ aufzuschlüsseln wäre: Wehrdienstverweigerung, Arbeitskreise, Emanzipationsgruppen, Lesben in der Kirche, Frauen für den Frieden etc. Kenawi hat in ihrer 1995 erschienenen Dokumentation der Frauengruppen in der DDR der 80er Jahre eine sinnvolle Auflistung der Strömungen der Frauenbewegung in der DDR gegeben (S. 21). Die Sachbegriffe zur Lesbenbewegung vereinfachen zum Teil komplexe soziale Zusammenhänge, so heißt es lapidar „Lesbengruppe“, der Begriff „Emanzipation“ taucht unter der Kategorie „Sachbegriffe“ so selten auf, daß die Nutzerinnen im Unklaren darüber gelassen werden, daß Emanzipation ein wichtiges Anliegen von Lesben in der DDR war. Klicken/blicken wir in den Bestand der Tondokumente des „Spinnboden-Archivs“, ist oft von „Lesbenbewegung“ zu lesen. So auch in den „belladonna“-Tondokumenten 12565, 12578.

Was – wo – wie

Unter dem Menübereich „Inventar“ sind Tondokumente, Plakate, Akten/Nachlässe, Dokumente, Fotos, Buttons aufgelistet. Die Verschlagwortung funktioniert über einen jeweils aphabetisch geordneten Sach-, Personen-, Bestands-, und Ortsindex, aus denen Begriffe und Namen in die Suchmaske eingefügt werden können. Ein Klick auf „Fotos“ listet die Fotosammlung – z.B. aus dem „GrauZone-Archiv“ – mit Angaben zum Titel, zu Personen, Orten und Sachbegriffen auf. Hier erscheinen erfreulich viele Bilder aus verschiedenen Orten, Projekten und Zeiten der Ostbewegung: Ein Lesbentreffen von 1986 in Dresden, Frauengruppentreffen in Jena 1989, die Zeitschrift „frau anders“, der Gründungskongress des UFV 1989 u. a. m. illustrieren die letzten Jahre Frauengeschichte Ost. Bei einer Abfrage nach dem Begriff „DFD“ werden einige Datensätze angezeigt, so ein Brief einer autonomen Frauengruppe an den Ministerrat der DDR, in dem finanzielle Mittel für den DFD einfgefordert werden. Insoweit staatliche Frauenorganisationen von der oppositionellen Frauenbewegung affiziert waren und unabhängige Gruppen sich in staatliche Aufgaben einmischten, kann kaum von einer Dokumentation nur der staatsunabhängigen Bewegung gesprochen werden und es bedarf einer differenzierten Systematisierung. Zum Beispiel spricht Kuhrig 1995 in ihrem Artikel „Mit den Frauen – Für die Frauen. Frauenpolitik und Frauenbewegung in der DDR“ in der „Geschichte der Deutschen Frauenbewegung“ von Florence Hervé von der „… Frauenbewegung – institutionalisiert in der einheitlichen, überparteilichen und überkonfessionellen Frauenorganisation, dem im März 1947 gegründeten Demokratischen Frauenbund Deutschlands (DFD)“ (S. 213). Hier wäre es angebracht, den DFD, der sich in seinen Anfängen auf die bürgerliche Frauenbewegung berief, und auch am Ende der DDR wieder an systemkritischen Auseinandersetzungen beteiligt war – die Dokumente belegen es – in der Liste der Themen zu nennen.

Die Ehrungen lesbischer KZ-Opfer in Ravensbrück und Buchenwald sind ebenso dokumentiert wie ein Frauenkreativurlaub in Burglemnitz. Als eine wichtige Initiativgruppe erscheinen die Ostberliner Lesben mehrfach.

Verwirrend ist der erste Blick in den Plakatbestand, offenbar wurden Plakate zusammen mit Akten erfasst, was sich wohl aus der geringen Anzahl von verfügbaren Plakaten erklärt.

Beim Weiterklicken zu den „Dokumenten“ wird schnell das breite Spektrum von Aktionen und Gruppen sichtbar: Frauen für den Frieden, Lesben in der Kirche und ihre Aktionen, die Gruppen zur Feministischen Theologie u. a. m. Schließlich erscheint auch noch die institutionalisierte literaturwissenschaftliche Frauenforschung in der Datenbank. Bei der Abfrage nach dem Sachbegriff „Frauenforschung DDR“, Bestand „GrauZone“, werden 27 Treffer angezeigt. Bei der Abfrage „Grauzone Dokumentation“ erhöht sich die Anzahl der Treffer auf 562. Angezeigt werden so unterschiedliche Aktionen, Projekte und Initiativen, die eher einen Überblick über die Bewegungsformen von Frauen im Osten geben als tatsächlich nur die eingeschränkten Forschungsmöglichkeiten „von Frauen über Frauen“ in der wissenschaftlichen Landschaft zu belegen.

Bei einer leicht modofizierten Anfrage zu „Frauenforschung über DDR“ im Bestand „Grauzone Dokumentation“ werden 599 Treffer gezeigt. Unklar bleibt aber, was die angezeigten Datensätze mit DDR zu tun haben, da sie überwiegend die Arbeit westdeutscher Frauen zu Themen wie Diskriminierung, Pfingsttreffen, Aktionen gegen Frauenfeindlichkeit und Gewalt, Homosexuelles Aktionszentrum Westberlin (um nur einige zu nennen) thematisieren.

Fazit

Die Datenbank, die mit Fördermitteln derVolkswagenstiftung realisiert wurde, bietet auf der Ebene der Datensätze einen gelungenen Überblick über das Spektrum der Frauenbewegungen in Ost und West. Die auf der Startseite gegebene Systematisierung der Bewegung Ost ist jedoch für eine wissenschaftliche Nutzung noch nicht gründlich genug ausgearbeitet. Hierfür wäre zu berücksichtigen, dass soziale Bewegungen in der DDR in anderen Aktionsformen und -räumen agierten als in der BRD. Will man die Beschränkung auf jene Ost-Projekte, die in der Grauzone zwischen stattlichen Institutionen und Kirche oder in kirchlichen Gemeinden angesiedelt waren, vermeiden, ist eine Erweiterung des Kriteriums „staatsunabhängig“ auf „nicht nur staatsunabhängig“ erforderlich.

URN urn:nbn:de:0114-qn023050

Dr. Marina Krug

Zentrum für interdisziplinäre Frauenforschung, Humboldt Universität Berlin

Die Nutzungs- und Urheberrechte an diesem Text liegen bei der Autorin bzw. dem Autor bzw. den Autor/-innen. Dieser Text steht nicht unter einer Creative-Commons-Lizenz und kann ohne Einwilligung der Rechteinhaber/-innen nicht weitergegeben oder verändert werden.