Diskriminierungsschutz – grenzüberschreitend

Rezension von Daniel Bartell

Dagmar Schiek (Hg.):

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

Ein Kommentar aus europäischer Perspektive.

München: Sellier European Law Publishers 2007.

552 Seiten, ISBN 978–3–935808–70–5, € 89,00

Abstract: Der Kommentar aus europäischer Perspektive bietet dem Ratsuchenden sowohl bei der Klärung auslegungsbedürftiger Begriffe im noch relativ neuen AGG als auch bei Fragen bezüglich von Ursprung und Grundlagen des AGGs umfangreiche und detaillierte Antworten. Da das AGG letztlich erst auf Grund von Klagen der EU gegen die Bundesrepublik Deutschland zustande gekommen ist, ist eine eingehende Behandlung der europarechtlichen Fragen nicht nur hilfreich, sondern notwendig. Durch den Aufbau und die verständliche Sprache ist das Werk sowohl für die gezielte Suche als auch als Überblick durchweg empfehlenswert.

Dagmar Schiek beschreibt und diskutiert in der ausführlichen Einleitung des von ihr herausgegebenen Kommentars zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) die Antidiskriminierungspakte der UN und der Europäischen Union. Die sich daraus ergebenden Kompetenzen für die Schaffung eines besonderen Antidiskriminierungsrechts werden dabei auch im Hinblick auf politische Befindlichkeiten des deutschen Gesetzgebers beleuchtet, so dass der Kommentar im Ergebnis aus zwei Teilen besteht: einerseits aus einer kompakten Abhandlung zum derzeitigen Stand der europäischen Rechtslage zur Gleichbehandlung und zu Antidiskriminierungsinstrumenten und andererseits aus einem ausführlichen Kommentar zum Gesetzestext unter Berücksichtigung der europarechtlichen Grundlagen und der entsprechenden Sekundärliteratur. In den Anhängen finden sich etliche Beispiele zur Selbstregulierung von zivilrechtlichen Gleichstellungsfragen aus einigen europäischen Nationen sowie die Antidiskriminierungsrichtlinien der EU, die Grundlage für das AGG waren.

Die Einleitung

Das AGG trat am 14. August 2006 in Kraft. Bis zu seiner Verabschiedung vergingen mehr als acht Jahre. Angestoßen durch das Europäische Jahr gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit 1997 wurden die Arbeiten zu einem Gesetz gegen Diskriminierung auf zivilrechtlicher Ebene aufgenommen. Diese zogen sich nach anfänglichem Schwung jedoch erheblich in die Länge. Auf die Gründe für diese Verzögerung wird in der ausführlichen Einleitung eingegangen. Anhand der unterschiedlichen bisherigen Gesetze und Verträge zur Gleichstellung wird begründet, warum ein AGG letztlich notwendig war. Die bisherigen Schutzinstrumente, voran Art. 3 GG, bezogen sich grundsätzlich auf das Verhältnis von Bürger und Staat. Das Verhältnis der zivilrechtlich miteinander verkehrenden Bürger und Bürgerinnen untereinander war nur im Staatsziel der Gleichstellung der Frau berücksichtigt. Wie Statistiken zeigen, bewirkte dieses Instrument jedoch nicht im gewünschten Umfang eine Gleichstellung von Mann und Frau; nicht zuletzt die Rollenverteilung speziell im Managementsegment, die im Widerspruch zur Geschlechterverteilung bei den besonders qualifizierten Absolventen steht, verdeutlicht dies. Dagmar Schiek setzt die Verzögerung und die erst nach der Verurteilung durch den EuGH durchgeführte Umsetzung der EU-Richtlinien mit dieser Problematik in Verbindung. Anscheinend sind die herkömmlichen Rollenmodelle noch immer stark und haben im Ergebnis zu einem Gesetz mit etlichen Ausnahmetatbeständen geführt. Dieser Teil ist sehr gut gegliedert und führt verständlich in die bisherigen und zu erwartenden Probleme der Gleichstellungsgesetze – über das AGG hinaus – ein.

Die Kommentierung

Der Kommentarteil bietet mit Überblicken zur europäischen Rechtslage und umfangreichen Schrifttumsnachweisen viel Material zur Klärung rechtlicher Fragen, die im Hinblick auf Diskriminierungsschutz auftauchen. Dem Gesetzestext der einzelnen Paragraphen des AGG jeweils hintangestellt werden die zugehörigen Vorschriften der umgesetzten Richtlinien. Zur üblichen Begriffserläuterung kommt die Darstellung der Unterschiede oder Übereinstimmungen in der Rechtslage in anderen europäischen Staaten.

Selbstverständlich ist die Zahl zitierter Entscheidungen auf Grund des kurzen Bestehens des Gesetzes einigermaßen schmal. Auf richtungsweisende Urteile zur Klärung bestimmter Begriffe wird derzeit noch gewartet. Dennoch finden sich etliche Urteile des EuGH zitiert, die auch bei neuer Gesetzeslage Gültigkeit behalten dürften, da sich das AGG auf die EU-Richtlinien bezieht und diese wiederum eng an der Rechtsprechung des EuGH orientiert sind.

Interessant ist die vergleichende Darstellung unterschiedlicher Gebiete von Ungleichbehandlung. Der Kommentar setzt die verschiedenen Diskriminierungsmerkmale wie Geschlecht, ethnische Herkunft und Religionszugehörigkeit in Beziehung zueinander und geht dabei auf den unterschiedlichen Umgang mit diesen ein. So wird beispielsweise ein Vergleich von Frauenquoten mit einer Quotelung nach ethnischer Zugehörigkeit in Arbeitsverhältnissen vorgenommen. Dieses und andere Beispiele geben einen Überblick nicht nur über die aktuelle Rechtslage, sondern auch über andere Methoden im Umgang mit Diskriminierung. Eine Fortsetzung dieser Ansätze findet sich im Anhang.

Die Anhänge

Der erste Anhang beinhaltet einige Beispiele der Selbstregulierung. Schiek beschäftigt sich hierbei mit der Frage der Notwendigkeit eines Gleichstellungsgesetzes. In vielen Fällen ist durch institutionelle Selbstregulierung ein beachtlicher Erfolg erzielt worden. Die Autorin stellt dabei aber auf das Problem der rechtlichen Wirksamkeit solcher Regularien ab und verneint letztlich eine vergleichbare Wirksamkeit. So bezweifelt sie beispielsweise die Einbeziehung der Bestimmungen des AGG oder der von einigen Kommentaren angebotenen Musterverhaltenskodizes in Arbeitsverträge. Allemal lesenswert sind diese Beispiele dennoch. Außerdem sollen sie Anregungen für die Abfassung entsprechender Regelungen sein.

Der zweite Anhang gibt die von der EU verabschiedeten Antidiskriminierungsrichtlinien unkommentiert wieder. Dem schließt sich ein Sachregister an.

Fazit

Der Kommentar enthält über die üblichen Begriffserläuterungen und Entscheidungszitate hinaus einiges mehr an Material, das der Anwenderin bzw. dem Anwender Auslegung und Arbeit mit dem AGG erleichtert. Die verständlichen Erläuterungen und das Hintergrundmaterial, das speziell den immer bedeutsamer werdenden Bezug zu Europa herstellt, machen den Kommentar zu einem kompletten und gleichzeitig kompakten Nachschlagewerk. Besonders die Einleitung und die für die praktische Anwendung interessanten Anhänge verdienen eine positive Hervorhebung.

URN urn:nbn:de:0114-qn092032

Daniel Bartell

Hannover/ Juristische Fakultät/ Fachbereich Zivilrecht und Rechtsgeschichte, Homepage: http://www.jura.uni-hannover.de/meder/

Die Nutzungs- und Urheberrechte an diesem Text liegen bei der Autorin bzw. dem Autor bzw. den Autor/-innen. Dieser Text steht nicht unter einer Creative-Commons-Lizenz und kann ohne Einwilligung der Rechteinhaber/-innen nicht weitergegeben oder verändert werden.