„Gendering Historiography“. Tagung in Hamburg vom 7. bis 9. November 2007

Angelika Schaser

Auf der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie der Universität Hamburg geförderten Tagung „Gendering Historiography“ im Hamburger Warburghaus wurde die Historiographiegeschichte der letzten beiden Jahrzehnte analysiert und über neue Entwicklungen, Forschungsstrategien sowie Arbeits- und Publikationsmöglichkeiten in der Geschichtswissenschaft diskutiert. Historikerinnen und Historiker aus Deutschland, Großbritannien, Israel, Italien, Finnland, den Niederlanden, der Schweiz und den USA trugen ihre Überlegungen zu dem Thema vor. Die Vorträge des ersten Panels stellten die In- und Exklusionsmechanismen in der Nationalhistoriographie in den Mittelpunkt, im zweiten Teil der Tagung wurden die im Zuge der Nationalgeschichtsschreibung in Gang gesetzten In- und Exklusionsprozesse im Bereich von Professionalisierung und Kanonisierung der Historiographie untersucht. Die Beiträge in der dritten Sektion beleuchteten die geschlechterspezifischen Ausprägungen und Besonderheiten der universitären Geschichtswissenschaft und der alternativen beruflichen Möglichkeiten für Historikerinnen und Historiker außerhalb der Universitäten.

Ulrike Gleixner
Ulrike Gleixner

Die beiden Abendvorträge von Bonnie Smith und Gisela Bock setzten Akzente, die in den Diskussionen aller drei Sektionen immer wieder aufgegriffen wurden, als an verschiedenen Beispielen dem Einfluss der Globalisierung auf die Geschichtsschreibung nachgegangen wurde. Dem nachdrücklichen Plädoyer von Gisela Bock für eine historische Gender-Forschung in transnationaler bzw. transatlantischer Perspektive widersprach in der Diskussion niemand, doch die Frage nach der Umsetzung einer solchen Forderung zeigte schnell, dass unter transnationaler Geschichtsschreibung nicht nur Unterschiedliches verstanden, sondern deren Stellenwert auch durchaus verschieden interpretiert werden kann.

Chair Stefanie Schüler-Springorum
Panel 1: Chair Stefanie Schüler-Springorum

Kontrovers wurde diskutiert, welche Chancen und Risiken die Suche nach einer „Global History“ oder „World History“ sowie die Konzentration auf transkulturelle und transnationale Aspekte für die Geschichtsschreibung im Allgemeinen und die Frauen- und Geschlechterforschung im Besonderen mit sich bringen werden. In diesem Zusammenhang wurde die Frage aufgeworfen, warum die Kategorie Gender als Analyse-Instrument für historische Systeme und Prozesse immer noch nur von einem kleinen Teil der Historikerzunft genutzt wird.

Programmflyer
Vorderseite des Programmflyers

Parallel zu dem in den USA und Westeuropa zu verzeichnenden Trend, eine „Global History“ zu schreiben bzw. die europäischen Dimensionen in der Geschichtsschreibung der EU-Länder zu betonen, ließen die vorgestellten Projekte eine ungebrochene Fortentwicklung, zum Teil auch ein Revival von nationalen Narrativen erkennen, die Frauen- und Geschlechterforschung nicht nur in Publikationen, sondern auch in Lehrplänen, in Unterrichtsmaterial, in den neuen Medien und in Museen zunehmend zu marginalisieren scheinen. Deutlich wurde hierbei, dass man sich in vielen europäischen Ländern ein gewisses Gegengewicht zur Globalisierung von der (Wieder-)Betonung nationaler bzw. europäischer Aspekte verspricht, während man in den USA eher auf eine „World-History“ unter US-amerikanischer Federführung zu setzen scheint. Ob diese Eindrücke als selektive Ergebnisse zu werten sind oder ob sie typisch für verschiedene Entwicklungen in Europa und in den USA sind, gilt es erst noch auf breiterer Basis systematisch zu untersuchen.

Tagungsübersicht

Evening Lecture

Panel 1: Gendering the (National) Canon of Historiography

Panel 2: Dividing Lines between the Traditional Canon and Excluded Histories

Evening Lecture

Panel 3: The Gender-coded Profession of the Historian and Alternative Professional Careers

Panel Discussion/Final Discussion

In der dritten Sektion wurde besonders intensiv ein Thema aufgegriffen, das bereits am Beispiel der niederländischen Nationalhistoriographie von Maria Grever eingeführt worden war: das Verhältnis von professioneller und „populärwissenschaftlicher“ Geschichtsdarstellung. Während bis weit in das 20. Jahrhundert hinein die Vertreter der universitären Geschichtsschreibung die „Amateurhistoriker“ durchaus erfolgreich diffamieren und marginalisieren konnten, wächst der Einfluss und die Anerkennung der außeruniversitären Fachleute, die Geschichte vermitteln, heute zusehends. Filme, Fernsehsendungen, Websites, Blogs, aber auch Museen und Denkmäler prägen das Geschichtsbild der Menschen nicht nur in höherem Maße als gedruckte wissenschaftliche Texte, die Grenzen zwischen diesen Genres sind inzwischen ebenso fließend wie die zwischen professionellen und „semi-professionellen“ Historikern und daher nicht immer eindeutig zu ziehen. Die Verbindung dieser Bereiche wird durch verschiedene „Wiki-Projekte“ vorangetrieben, von denen hier als ein Beispiel nur das „Gender@Wiki“ genannt werden soll, das sich zum Ziel gesetzt hat, Fachwissen frei zugänglich zu machen (Gender@Wiki wurde im Rahmen eines studentischen Projekts an der Humboldt Universität in Berlin entwickelt). Wie sich die Präsentation von wissenschaftlichen Forschungsergebnissen im WWW und der Buchmarkt im Bereich der Geisteswissenschaften entwickeln werden, darüber lässt sich momentan nur spekulieren. Ebenso ist zurzeit noch nicht abzusehen, wie sich Initiativen junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auswirken werden, die sich zunehmend in transnationalen Projekten wie der 2004 in Großbritannien gegründeten „History of European Integration Research Society“ (HEIRS) oder dem Netzwerk „Réseau International de Jeunes Chercheurs en Histoire de l’Integration Européene“ (RICHIE) vernetzen. Welche Bedeutung die leichtere Zugänglichkeit von Quellen- und Informationsmaterial in diesem Zusammenhang auf die Geschichtsschreibung und andere Formen der Geschichtsdarstellung erhalten wird, bleibt abzuwarten.

Die Ergebnisse dieser Tagung werden von den Veranstalterinnen, Angelika Epple und Angelika Schaser, in einem Band publiziert werden, der den Großteil der Vorträge und Kommentare in überarbeiteter Fassung sowie zusätzlich eingeworbene Beiträge zum Thema enthalten wird.

Fotos: Johanna Meyer-Lenz

URN urn:nbn:de:0114-qn091424

Prof. Dr. Angelika Schaser

Universität Hamburg, Hochschullehrerin für Neuere Geschichte, Homepage: http://www.geschichte.uni-hamburg.de/personal/schaser1.html

E-Mail: angelika.schaser@uni-hamburg.de

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