Editorial zu querelles-net 4 (2001)

Constanze Jaiser

Zur vierten Ausgabe von Querelles-Net

Die vierte Ausgabe von Querelles-Net widmet sich den Forschungsfeldern Technik und Naturwissenschaften.Pünktlich zu dem grossen 27. Kongress von Frauen in Naturwissenschaft und Technik mit dem Untertitel „wissen_schaf(f)t widerstand“ (24.–27. Mai 2001) bieten wir Ihnen Besprechungen interessanter Neuerscheinungen und eine Fülle an Informationen zu diesen Themenfeldern. Die feministische Forschung in den naturwissenschaftlichen Disziplinen ist außerordentlich vielfältig, und führt doch ein Dasein „wie ein Kaktus in der Wüste“. Wesentliches Merkmal feministischer Vernetzungskultur, so Brigitte Ratzer und Gabriele Mrazin in ihrem gleichnamigen Beitrag, sei „der Versuch von Frauen, eine Aufhebung der Grenzen der einzelnen Fachgebiete zu erreichen“ und „das Gemeinsame – z.B. die Situation einer Frau in klassischen Männerdomänen – vor das Trennende, die engen Fachgrenzen – stellen“. Die Zeitschrift Koryphäe mit ihrer neuen Website, aber auch Mailinglisten wie die FEMALE oder NUT (vgl. E-maillisten in unseren Fachinfos) sind Beispiele einer sich ausbreitenden Vernetzung, an der sich (Natur-)Wissenschaftlerinnen verschiedenster Disziplinen beteiligen.

Cyborgs und andere feministische Interventionen

Feministische Technik- und Naturwissenschaftlerinnen beschäftigen sich mit den Konstruktionen von Theorien in ihren jeweiligen Fächern und einem damit verbundenen Wahrheitsdiktum, das oft genug über Metaphern und Rhetorik etabliert wird. Sie stellen die Frage, wie darüber männliche und weibliche Identitäten reproduziert und konstruiert werden. Die Analyse des Prozesses, wie sich diese Identitätskonstruktionen in technologischen Produkten und naturwissenschaftlichen Ergebnissen manifestieren, ist ebenso ein Thema, dem sich feministische Kritik annimmt, wie die Analyse der Ausschlusskriterien aus einer dominanten Normen- und Kanonbildung und aus den konkreten Arbeitsfeldern in Hochschul- und Forschungsbereichen. Der feministischen Kritik inhärent ist, parallel zu diesen Erkenntnisinteressen, eine selbstreflexive und selbstkritische Weiterentwicklung der eigenen Inhalte und Methoden. So steht die Frage nach einem feministischen Verständnis von Expertinnen/-entum – ein durchaus umstrittener Begriff in der feministischen Theorie und Praxis – zur Diskussion.

Erörtert werden aber auch die Chancen und Grenzen neuer Technologien im Hinblick auf ihre Wirksamkeit, überkommene Geschlechterdualitäten aufzulösen. Dass Donna Haraways prominente Figur der Cyborg inzwischen selbst wieder Gegenstand der Reflexion wurde, ist ein Beispiel, wie feministische Kritik betrieben wird. Die Cyborg war zunächst Symbol für feministische Interventionen in den Technowissenschaften, die Haraway entlang einer Kritik an Identitätslogiken entwickelte – nach Dagmar Fink, Mitarbeiterin am Institut für Gestaltungs- und Wirkungsforschung der TU Wien, handelte sich bei Haraways Ansatz um eine „kritische Analyse der Informatik der Herrschaft einerseits und den Versuch des postkolonialen Feminismus eine politische Identität aus dem Nicht-Identischen zu entwerfen, andererseits“. In ihrer Veranstaltung „Racing the Cyborg“ auf der Wiener Tagung kritisiert Fink die Auschlussmechanismen der Cyborg-Denkfigur und fordert, die unterschiedlichen Differenzen gleichzeitig betroffener Subjekte – so z. B. die Kategorie „race“ – so zu konzeptualisieren, dass keine der Differenzen privilegiert werde (Ankündigung ihres Vortrags im Tagungsprogramm, S. 84).

Femalismus versus Feminismus?

Aktuell und kritisch zu reflektieren – die hier veröffentlichte Rezension von Sigrid Schmitz geht ausführlich darauf ein – ist auch die Debatte zu Femalismus versus Feminismus, die der Spiegel mit einer im Sommer 2000 erschienenen Serie initialisiert hatte. Schien hier auf den ersten Blick die Frauenbewegung und die feministische Wissenschaft gebührend gewürdigt und ernst genommen, so enthüllte sich auf den zweiten Blick eine Sichtweise, die Vorurteilen gegenüber der feministischen Naturwissenschaftsforschung eher Vorschub leistet: Frauen- und Geschlechterforschung wird in diesen Artikeln als homogene Richtung präsentiert, die verschiedenen Bereiche aber tatsächlich gegeneinander ausgespielt. Vor allem aber wird die seit Jahren geführte Debatte um Biologismus und Konstruktivismus schlicht ignoriert (vgl. v.a. den Artikel Das wahre Geschlecht von Rafaela von Bredow).

Tradierung und Vermittlung

Schließlich impliziert feministische Forschung immer auch die Frage nach der Tradierung und Vermittlung der Geschichte von Frauen in der Wissenschaft. Deshalb gilt es auch, den vergessenen und unterschlagenen Leistungen von Frauen gerade auf den Gebieten der Technik und Naturwissenschaften ein Forum zu schaffen. Die Internet-Ressourcen zu diesem Thema in unseren kommentierten Links zum Schwerpunkt – sorgfältig recherchiert und aufbereitet von unserer Praktikantin, Muriel Eberhardt – bezeugen die immensen Leistungen naturwissenschaftlich oder technisch arbeitender Wissenschaftlerinnen, Querdenkerinnen, auch Nobelpreisträgerinnen und anderer Frauen, die wichtige Beiträge zur Entwicklung ihrer jeweiligen Disziplin geleistet haben.

Die Nutzung des Internets, um solches Wissen sichtbar zu machen, impliziert auch die Frage danach, wie wir das in Datenbanken, mit Hypertexten u.ä. aufbereitete Wissen durch die entsprechende informationstechnische Modellierung prägen. So notwendig wie aufwendig für eine gelungene Vermittlung sind eine Kontextualisierung von Wissen; kritisch zu reflektieren sind die Gefahren (und die bereits deutlich festzustellenden Tendenzen) von hierarchisierenden, generalisierenden und damit auch ausschließenden Kanonbildungen, die nämlich einer Marginalisierung von Frauen- und Geschlechterforschung erneut Vorschub leisten.

„Expect the best – Prepare for the worst“: Frauen und Internet

In unserem aktuellen Forum diskutieren wir mit drei Wissenschaftlerinnen, Iris Bockermann, Carmen Masanneck und Heike Wiesner, die Ergebnisse ihres Forschungsprojektes zum Thema „Virtuelles Lernen und Gender Studies“. Ihr verschriftlichter Projektbericht – „Virtuelles Lernen: ‚Expect The Best – Prepare For The Worst‘. Virtuelle Lernumgebungen im Kontext von gender und cultural studies“ steht in Querelles-Net als Download zur Verfügung word/win9x. Nicht nur junge Frauen sollen dazu befähigt werden, sich aktiv und gestaltend in die Neuen Medien einzubringen. Zentrale Bereiche der Kommunikationswege des Wissenschaftsbetriebs und der wissenschaftlichen Darstellungsform im Netz befinden sich nach wie vor in einem Experimentierstadium und müssen für die Weiterentwicklung auch der Frauen- und Geschlechterforschung diskutiert werden:

Bei der Etablierung/Institutionalisierung von Internetforen als wissenschaftliches Publikationsmedium bestehen, jenseits der bloßen Doppelung von gedruckten Schriften, viele ungeklärte Fragen, z. B. nach der Zugänglichkeit, Archivierung, Qualitätssicherung, der Rolle der Buchverlage u. ä.

Die Rezensionen in Querelles-Net machen deutlich, dass hinsichtlich der Frauen- und Geschlechterforschung in den Technik und Naturwissenschaften eine Fülle an wichtigen Forschungsergebnissen vorliegt. Wir möchten uns an dieser Stelle bei allen Rezensentinnen bedanken, die mit ihren Besprechungen maßgebliche Einblicke in die einschlägige Forschung geben. Noch sind wir leider nicht in der Lage, für alle Besprechungen eine englische Volltext-Version anzubieten.

Der thematische Schwerpunkt umfaßt neben den Buchbesprechungen und dem Forum auch eine ausgewählte Link-Liste mit weiterführenden Internetadressen, die wir kommentiert haben. Desweiteren finden Sie im Journal eine Bibliographie, die Neuerscheinungen zur Frauen- und Geschlechterforschung in den Technik und Naturwissenschaften präsentiert. Das Rezensionsjournal unserer ersten drei Zeitschriftennummern finden Sie wie immer im Archiv.

Die Rubrik Forum

Diskussionen, die sich zum Schwerpunkt resp. zur Frauen- und Geschlechterforschung insgesamt anbieten, werden wir zukünftig offen handhaben, indem Sie uns Ihre Beiträge per Email zukommen lassen können. Dafür dient die Rubrik Forum in Zukunft für Hintergrundberichte zu verschiedenen aktuellen Themen. Entsprechend werden wir das Forum auch zwischen den drei Ausgaben im Jahr mit Interessantem füllen. Hinweise auf neu ins Netz Gestelltes werden Sie immer der Startseite von Querelles-Net entnehmen können. Hier die Themen unserer aktuellen Rubrik Forum im Überblick:

Rezensionen für Querelles-Net Nr.5

Für den kommenden Schwerpunkt „Studien zu Ost- und Westdeutschland“ haben wir bereits einige Buchbesprechungen an Interessentinnen/-en vergeben. Sie können sich in der Vorschau weitere mögliche Rezensionstitel ansehen oder auch gerne selbst einen Vorschlag machen.

Sie finden aber auch weiterhin zahlreiche Titel wissenschaftlicher Neuerscheinungen aus dem gesamten Bereich der Frauen- und Geschlechterforschung, die wir wieder aktualisiert haben. Diese stehen unter der Rubrik Fachinfos (Print-Publikationen). Sie können jederzeit in unserem offenen Rezensionsteil besprochen werden. Wenn Sie für Querelles-Net rezensieren wollen, so tragen Sie sich mit Ihrem Rezensionswunsch in das vorbereitete Formular ein. Beachten Sie auch die Hinweise (mit Stylesheet) zur Erstellung einer Rezension. Zur Zeit sind Rezensionen in Deutsch und in Englisch möglich.

Die Rubrik Fachinfos

Unter dieser Rubrik finden Sie eine Auswahl an Rezensionszeitschriften, Datenbanken, Institutionen/Einrichtungen, Volltext-Quellen, Email-Listen und elektronischen Zeitschriften. Wir möchten Sie für weitere Hinweise, u. a auch zu Veranstaltungshinweisen, Stellenausschreibungen etc. auf die Homepage der Zentraleinrichtung Frauen- und Geschlechterforschung verweisen.

Unser besonderer Service in den Fachinfos von Querelles-Net ist eine von Ulla Bock kontinuierlich aktualisierte Bibliographie der Print-Publikationen im Bereich Frauen- und Geschlechterforschung. Rubrizierungen, u.a. nach Disziplinen, erleichtern das Durchstöbern. Zukünftig werden wir die Liste im 2-Jahre-Rhythmus archivieren, d. h., sie können demnächst die 1998–1999 erschienenen Titel in unserem Archiv finden. Auf diese Weise bleibt die online-Version überschaubar, und die älteren Publikationen sind Ihnen trotzdem zugänglich. Die Bibliographie enthält derzeit Neuerscheinungen aus 2000-2001.

Die Rubrik Publikationen

Unter dieser Rubrik Publikationen finden Sie die von der Zentraleinrichtung mit herausgegebene Edition: Ergebnisse der Frauenforschung sowie die Reihe Querelles. Jahrbuch für Frauenforschung.

Besonders freuen wir uns, Ihnen das druckfrische Querelles Jahrbuch Nr. 6 vorstellen zu können. Es hat den Schwerpunkt „Biographisches Erzählen“ und wurde von Irmela von der Lühe und Anita Runge herausgegeben.

Ein weiterer Hinweis in eigener Sache: Vom Metzler-Verlag erhielten wir die freundliche Erlaubnis, das seit längerem vergriffene Querelles-Jahrbuch für Frauenforschung, Band 2 (1997) als Download im PDF-Format zur Verfügung zu stellen. Der Wallstein-Verlag konvertierte uns die hierfür erforderlichen Daten. Das heißt, Sie können sich das gesamte Buch oder Sie besonders interessierende Beiträge auf Ihren heimischen Schreibtisch holen. Näheres hierzu finden Sie unter dem Inhaltsverzeichnis des von Gisela Bock und Margarete Zimmermann herausgegebenen zweiten Jahrbuches mit dem Titel „Die europäische Querelle des Femmes. Geschlechterdebatten seit dem 15. Jahrhundert“.

Außerdem sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Freien Universität eingeladen, in Querelles-Net unter der Rubrik Publikationen Ihre jüngsten Veröffentlichungen (2000 und 2001) mit einer kleinen Inhaltsangabe anzukündigen, sofern diese mit Geschlechterforschung zu tun haben. Gerade Ihre Aufsätze könnten auf diese Weise einem großen Publikum zugänglich gemacht werden. Machen Sie bitte von diesem Angebot Gebrauch, indem Sie einfach das vorbereitete Formular ausfüllen.

Praktikumsplätze

Wir bieten ab der übernächsten Ausgabe, also ab Oktober 2001, wieder Praktikumsplätze an. Besonders freuen wir uns über Praktikantinnen und Praktikanten, die Interesse und Studienerfahrungen mitbringen für unsere geplanten Schwerpunktthemen Musik, Film und Bühne, Kunst (Nr. 6, Februar 2002) und Neue Perspektiven in den Literaturwissenschaften (Nr. 7, Juni 2002). Die Arbeiten, die Sie hier übernehmen können, sind sehr vielfältig und eignen sich hervorragend, Qualifikationen im Bereich der Verlagsarbeit und der Neuen Medien zu erwerben:

Voraussetzungen sind ein vertrauter Umgang mit dem Computer (Word), gute Kenntnisse mindestens einer Fremdsprache sowie die Fähigkeit zu selbständigem Arbeiten.

Möglich sind kompakte Praktika (4 Wochen und mehr am Stück) oder aber ein Teilzeitpraktikum (2 Tage pro Woche), das sich über einen längeren Zeitraum erstreckt.

Nähere Informationen über unsere Emailadresse oder unter der Telefonnummer 838–5–6252 (Constanze Jaiser)

Die Redaktion

URN urn:nbn:de:0114-qn022019

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