Warum werden Frauen (nicht) Unternehmerinnen?

Rezension von Sonja Bischoff

Andrea D. Bührmann, Katrin Hansen, Martina Schmeink, Aira Schöttelndreier (Hg.):

Das Unternehmerinnenbild in Deutschland.

Ein Beitrag zum gegenwärtigen Forschungsstand.

Hamburg: LIT 2006.

176 Seiten, ISBN 978–3–8258–9049–0, € 14,90

Abstract: Wenige Frauen – im Vergleich zu Männern – gründen ein Unternehmen, viele Frauen tun es nicht. Warum nicht? Spielt das „Unternehmerinnenbild in Deutschland“ eine Rolle? Dieser Frage geht das Forschungsprojekt „Vielfalt in der Unternehmerschaft: Facetten des Unternehmerinnenbildes in Deutschland“ nach, dessen erste Ergebnisse jetzt vorliegen. Manche Stereotypen werden bestätigt, andere – erfreulicherweise – nicht.

Selbst- und Fremdbilder

Im einleitenden Beitrag „Ausgangspunkte zur Erforschung der Facetten des Unternehmerinnenbildes in Deutschland"erläutern Andrea D. Bührmann und Katrin Hansen den Hintergrund dieses Bandes: Es geht um die Frage, welche Rolle das Unternehmerinnenbild für die Gründungen durch Frauen spielt. Praktische Zielrichtung der zu gewinnenden Erkenntnisse soll die Verbesserung der Gründungsförderung speziell für Frauen sein.

Die Autorinnen geben zu Beginn einen hervorragenden Einblick in die bis dahin vorliegende Literatur, allerdings hätte man sich bereits am Anfang die Informationen zu dem Forschungsprojekt gewünscht, die erst auf S. 18 f. geliefert werden.

Die einzelnen Beiträge sind schriftliche Fassungen der Vorträge einer ersten Tagung im Rahmen des Forschungsprojekts im Jahr 2005. Besonders erfreulich ist, dass zu drei Beiträgen auch die Argumente in den jeweils folgenden Diskussionen dokumentiert sind.

Im Text des ersten Vortrags von Martina Schmeink und Aira Schöttelndreier, „Facetten des Unternehmerinnenbildes – die Untersuchung des Selbst- und Fremdbildes von Unternehmerinnen in Deutschland“, wird das Forschungsprojekt mit Titel und Zielsetzung ausführlich erläutert. Auch in diesem Beitrag wird zunächst der Stand der Forschung referiert. Dann werden die empirisch zu beforschenden Fragen im Einzelnen dargestellt (S. 36 f.), die sich aus der Arbeitshypothese ergeben: „Ein hegemoniales, einseitig männlich geprägtes Unternehmerbild verhindert, dass Frauen im gleichen Ausmaß wie Männer Unternehmen gründen, weiterführen und in wachsenden Unternehmen Arbeitgeberfunktionen übernehmen und damit Arbeitsplätze schaffen.“ (S. 30). Es folgen detaillierte Ausführungen zur Forschungsmethodik.

Über erste Ergebnisse im Rahmen des Projekts berichtet der nächste Beitrag „Zum Einfluss des Unternehmerbildes auf die Gründungsaktivitäten von Frauen und Männern“ von Rosemarie Kay, Peter Kranzusch und Arndt Werner. Ausgangspunkt ist die These, „dass Frauen sich in geringerem Umfang mit dem männlich geprägten Unternehmerbild identifizieren können und diese geringere Identifikation im Zusammenhang mit anderen Faktoren zur geringeren Gründungsneigung von Frauen beiträgt“ (S. 54). Wenig überraschend ist das Ergebnis, dass „ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Identifikationsfähigkeit potentieller Gründer/innen mit dem Unternehmertum und der Gründungsneigung“ (S. 59) besteht. Doch konnten geschlechtsspezifische Unterschiede nicht festgestellt werden: „haben Frauen und Männer erst einmal Gründungsabsichten und eine Geschäftsidee entwickelt, dann wird die Umsetzung der Pläne nicht geschlechtsspezifisch durch Motive, Ziele, Einstellungen oder Leitbilder beeinflusst.“ (S. 66).

Bild und Identität

Frederike Welter und Leona Achtenhagen untersuchen in ihrem Beitrag „Unternehmerinnenbild und Unternehmerinnenidentität“ den Medieneinfluss auf das Unternehmerinnenbild und die Unternehmerinnenidentität. Das Ergebnis: „Unternehmerinnen sind eine Abweichung zur vorgegebenen gesellschaftlichen Norm (dem Unternehmer), sie sind etwas besonderes und eine Ausnahme.“ (S. 86). Das in den Medien transportierte Unternehmerinnenbild könnte also sehr wohl potenzielle Unternehmerinnen abschrecken.

Im nächsten Beitrag „Entwicklung und Determinanten von Frauenselbstständigkeit in Deutschland“ von René Leicht und Maria Lauxen-Ulbrich wird der Frage nachgegangen, „inwieweit zentrale Charakteristika geschlechtsspezifischer Rollen- und Arbeitsteilung, so z. B. die Wahl bestimmter Berufe oder die Wahrnehmung von Familienverantwortung, Einfluss auf die Entfaltung unternehmerischer Aktivitäten nehmen“ (S. 101). Die geringere Gründungsneigung von Frauen im Vergleich zu Männern wird im Ergebnis vorrangig mit der Tatsache begründet, dass die Zugehörigkeit zu einem typischen Frauenberuf den Umstieg in die Selbstständigkeit erschwert – und immerhin drei Viertel aller abhängig beschäftigten Frauen arbeiten in einem solchen Beruf! Dagegen scheint die Tatsache, Kinder zu haben, keinen so starken negativen Einfluss auszuüben; im Gegenteil: „Frauen mit Kindern, wenn sie denn erwerbsfähig sind, [partizipieren] überdurchschnittlich stark an beruflicher Selbstständigkeit“ (S. 116). So bleibt zu hoffen, so die Autor/-innen, dass „der generelle Bildungsschub […] mehr Frauen zu professionellen Dienstleistungen und darüber dann auch vermehrt in die freiberufliche Selbstständigkeit führt“ (S. 117).

Michael-Burkhard Piorkowsky untersucht die „Institutionelle[n] Einflüsse auf das Unternehmerbild“. Dazu muss die Frage geklärt werden, von welchem Unternehmerbild Beratungsinstitutionen und Förderprogramme ausgehen. Hier spielen ganz sicher die Wirtschaftstheorie und die schulische Wirtschaftssozialisation eine Rolle, mit dem Ergebnis, dass die Gründungsförderung sich vorrangig am Gründungstyp „Mann, Vollerwerb, produzierendes Gewerbe, KMU“ (S. 122) ausrichtet, so dass man zu dem Schluss kommen muss: „Unter Genderaspekten sind die Gegebenheiten insgesamt als faktisch diskriminierend für Frauengründungen zu werten.“ (S. 126). Der Autor fordert konsequenterweise ein Umdenken. Er verweist zu Recht darauf, dass Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen zur Unternehmensgründung zunächst zu Hause stattfinden, d. h., dass das Gründungsgeschehen nicht losgelöst von der Betrachtung des Privathaushalts richtig verstanden werden kann: „Wenn in der schulischen und akademischen Wirtschaftssozialisation die Privathaushalte als die Basiseinheiten von Wirtschaft und Gesellschaft modelltheoretisch angemessen betrachtet würden und die Entrepreneurship-Ausbildung hier empirisch fundiert anknüpfen könnte, ließen sich nicht nur ein realitätsnahes Unternehmer- und Unternehmerinnenbild vermitteln, sondern vermutlich auch die Gründungsneigung und die Kompetenzen zur Entwicklung von Unternehmen leichter fördern, als wenn Unternehmertum und Unternehmensgründungen mystifiziert werden.“ (S. 141).

In dem das Buch abschließenden Beitrag „Einige Einsichten und neue Forschungsfragen“ von Andrea D. Bührmann und Katrin Hansen wird nicht nur resümiert, sondern auch kritisch die weitere Vorgehensweise angemahnt: Denn Theorie verändere Praxis und Praxis verändere Theorie.

In diesem Sinne ist es den Herausgeberinnen des vorgelegten Bandes hervorragend gelungen, sowohl Denkanstöße für die Praxis als auch Begründungen für weitere Forschungen geliefert zu haben.

URN urn:nbn:de:0114-qn082068

Univ.-Prof. Dr. Sonja Bischoff

Universität Hamburg

E-Mail: Sonja.Bischoff@wiso.uni-hamburg.de

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