Die Berufskarriere einer Frau bei der Kriminalpolizei der zwanziger und dreißiger Jahre

Rezension von Christa Schikorra

Ursula Nienhaus:

„Nicht für eine Führungsposition geeignet“.

Josefine Erkens und die Anfänge der weiblichen Polizei in Deutschland 1923–1933.

Münster: Westfälisches Dampfboot 1999.

146 Seiten, ISBN 3–89691–463–4, 39,80 DM / Sfr 37,00 / ÖS 291,00

Abstract: Das Buch präsentiert mit der Berufsbiographie von Josefine Erkens die Schwierigkeiten in den ersten Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts, einen für Frauen neuen Berufszweig zu etablieren. Neben Modernisierungsbestrebungen in der Polizei als solcher bestimmen sozialpolitische Reformbemühungen eines Teils der Frauenbewegung sowie Professionalisierung von Frauenarbeit die Durchsetzung dieses neuen Berufsfeldes. Doch unterschiedliche Konzepte zum Berufsbild der weiblichen Polizistin, die vorherrschende Nichtakzeptanz von Frauen in Führungspositionen sowie eine ablehnende, mißtrauische Haltung zu berufstätigen Frauen markieren die Hindernisse des vorgestellten beruflichen Lebenslaufs.

Ursula Nienhaus legt mit dieser Einzelstudie einen Beitrag zur Geschichte eines Themas vor, das in der zeitgenössischen Terminologie mit dem Begiff „Frauen in Führungspositionen“ zu umreißen wäre. Der historische Kontext ist die Entstehung der Weiblichen Kriminalpolizei (WKP) in den 1920er Jahren in Deutschland als ein neu sich etablierendes, aber umstrittenes Berufsfeld. Nienhaus sieht die Anfänge der weiblichen Polizei als feministisches Reformprojekt aus den Reihen der Frauenbewegung zu Beginn des Jahrhunderts, das zum Ziel hatte, sowohl Frauen als auch Minderjährige, in der Strafverfolgung unter den spezifischen Schutz von Frauen zu stellen. Insbesondere die Aufhebung der polizeilichen Reglementierung der Prostitution und die damit verbundene Forderung, die Prostituierten vor der männlichen Sittenpolizei zu schützen, aber auch der Ausbau der Gefährdetenfürsorge waren Motive für den Einsatz von Frauen im Polizeidienst. Diese Zielsetzung spiegelt sich sowohl im Ausbildungsweg als auch in der Aufgabenteilung der weiblichen Polizistinnen wider.

Daß Frauen sich diesen Zugang in einem für sie bis dahin verschlossenen Berufszweig erkämpfen konnten, ging einher mit der Ausdifferenzierung sowie dem Zuwachs neuer Tätigkeitsbereiche sowie der reformerischen Umgestaltung des Berufsfeldes der Kriminalpolizei. Neben Verfolgen und Strafen seien ebenso Helfern, Vorbeugen und Fördern explizite Aufgaben der Polizei, und damit war die besondere fürsorgerische Eignung der Frauen gefragt, so die Position, die bis zum preußischen Innenministerium vertreten wurde. Die weit verbreitete Annahme war, daß Frauen qua Natur qualifizierter, da einfühlsamer im Umgang mit jugendlichen oder weiblichen Delinquenten seien. Sie wurden als Helferinnen der Polizei vor allem in der vorbeugenden Kriminalitätsbekämpfung gesehen. Dieser Arbeitsteilung liegt ein polarisiertes Geschlechterverständnis zugrunde, das ursprüngliche soldatische Bild des männlichen Polizisten wird ergänzt und eine Notwendigkeit des Einsatzes von Frauen im Polizeidienst konstatiert. Mit dem Bild der Helferin war jedoch auch der Status der zukünftigen Polizistin beschrieben. Entschieden wird wiederholt davor gewarnt, daß Frauen mit dem Zugang zu diesem Berufsfeld in eine Position gelangen könnten, in der sie zur Vorgesetzten männlicher Kriminalbeamter würden. Dem sei entschieden entgegen zu treten, so die wiederholte Forderung in kriminalistischen Fachkreisen. Um die Ausgestaltung des Berufsbildes der weiblichen Polizistin wurde auf den unterschiedlichsten Ebenen und unter den verschiedensten gesellschaftlichen Interessensgruppen heftig gestritten. Internationale Vorbilder boten sich an oder wurden abgelehnt, wie die zeitgenössisch fortschrittliche uniformierte und bewaffnete weibliche Polizei in London. Auch galt es, den eigenen bisher ausschließlich männlichen Berufsstand mit Beförderungswegen und Zuständigkeiten vor weiblicher Konkurrenz zu sichern.

Nienhaus entwickelt ihre Studie zu den Anfängen der weiblichen Kriminalpolizei entlang der Berufsbiographie von Josephine Erkens, die als herausragende und prägende Persönlichkeit für die Entwicklung des Einsatzes von Frauen im Polizeidienst für das damalige Preußen gesehen werden muß. 1923 wurde im von britischen Truppen nach dem Ersten Weltkrieg besetzten Köln eine „Frauen-Wohlfahrtspolizei“ geschaffen. Unter Anleitung britischer Kolleginnen, in London gab es weibliche Polizistinnen bereits seit 1905, sollten die Frauen im Streifendienst mit polizeilicher Befugnis wie Überprüfung von Angaben oder Festnahmen, vornehmlich die weiblichen Prostituierten der Stadt unter Kontrolle halten. Josephine Erkens fungierte als Leiterin der neuen Frauenpolizei. Sie war als Fürsorgerin ausgebildet wie die meisten ihrer Kolleginnen. Dieser neu zu etablierende Berufszweig hatte sich internen wie externen Anfechtungen zu stellen. So war die Ausgestaltung der Tätigkeit der weiblichen Polizistin ein spannungsgeladenes Feld, in dem Zuständigkeiten und Kompetenzen immer wieder ausgehandelt werden mußten. Erkens betonte auf einer Tagung von Sozialbeamtinnen 1925 in Schwerin, daß Arbeit in der Öffentlichkeit großstädtischer Straßen und Plätze bisher „als ein spezifisch männliches“ Arbeitsgebiet betrachtet werde, „das ja auch in seinen ganzen bisherigen Arbeitsmethoden alte Traditionen männlicher Denk- und Wirkungsart“ in sich trage, so daß es nicht einfach reformiert werden könne, sondern sowohl ganz neu theoretisch konzipiert als auch praktisch umgestaltet werden müsse. (vgl. S. 24) Von Köln aus wechselte Erkens nach Frankfurt/Main und dann 1927 als Kriminaloberinspektorin zum Aufbau einer weiblichen Polizei nach Hamburg. Auch Berlin war an einer Berufung von Josephine Erkens interessiert.

Die verschiedenen Orte ihrer beruflichen Laufbahn nimmt Nienhaus zum Anlaß, die lokal sehr unterschiedlichen Entstehunghintergründe sowie die Bedingungen zur Schaffung einer weiblichen Polizei darzustellen. Das ist nicht immer einfach. Die Vielzahl der Protagonisten/-innen auf den unterschiedlichsten Ebenen, die diesen Prozeß der Neubestimmung dieses Berufsfeldes mit gestalteten, aber auch der komplexe gesellschaftliche und zeithistorische Kontext nehmen der Leserin mitunter die Orientierung. Hoch motiviertes Fachpublikum hingegen wird über diese Schwierigkeiten hinweg lesen können und mitunter die Dichte zu den Quellen begrüßen.

Für eine wissenschaftliche Publikation überrascht der Auftakt der Studie. Ursula Nienhaus wählt sozusagen als Aufhänger den gemeinsamen Suizid zweier Kriminalbeamtinnen aus dem Jahr 1931, der in der Hamburger Presselandschaft nachhaltig seinen Niederschlag gefunden hat, und rollt in der Retrospektive die Entstehungsgeschichte der weiblichen Kriminalpolizei und damit Erkens Berufsbiographie auf.

Diese Todesfälle sowie die darauf folgende Zeitungsintrige, wie Nienhaus sie nennt, sind Anlaß, in Hamburg die Position der Weiblichen Kriminalpolizei nachhaltig zu schwächen. Eine Fülle von spekulativen Aussagen über den Zusammenhang der beruflichen Tätigkeit der beiden Frauen mit ihrem Freitod folgen. Die „Nützlichkeit“ der Weiblichen Kriminalpolizei wird wiederholt in Frage gestellt. Josephine Erkens wird aufgrund dieser spektakulären Todesfälle in ihrer Positition als Leiterin der Weiblichen Kriminalpolizei bedrängt und letztlich aus dem Staatsdienst entlassen. Die damit verbundene Auflösung der Hamburger Dienststelle zeigt den unsicheren Status der Weiblichen Kriminalpolizei an. Aufgrund ausbleibender öffentlicher Positionierung von Kolleginnen zugunsten Josephine Erkens und anderer Formen der Unterstützung sieht Ursula Nienhaus Erkens als „einsame, couragierte Pionierin“. (S. 90)

Nienhaus konstatiert, daß mit der Beseitigung des „Hamburger Modells“ der Versuch der Etablierung einer weiblichen, expliziten Reformpolizei in Deutschland gescheitert war.(vgl. S. 92) Auf diesem Hintergrund widmet sie sich über das Jahr 1933 hinaus im vorletzten Kapitel des Buches der nationalsozialistischen Neuordnung der weiblichen Polizei und skizziert deren spezifisches Tätigkeitsfeld in der „Reichszentrale der Bekämpfung der Jugendkriminalität“ seit dem Jahr 1939 mit u.a. der Leitung der drei bestehenden Jugend-Konzentrationslager.

Am Ende der Weimarer Republik befanden sich in mehreren deutschen Großstädten insgesamt 161 Frauen in der Position einer weiblichen Polizeibeamtin. Mitte der Siebziger Jahre wurde die Weibliche Kriminalpolizei (anzunehmen ist, daß Nienhaus von der BRD spricht) in ihrer spezifischen Stellung aufgelöst, und nach und nach fanden Frauen als Beamtinnen Einzug in den regulären Polizeidienst. Ursula Nienhaus beendet ihre Studie mit einer kurzen Ausführung zur heutigen Position von Frauen in der Polizei.

URN urn:nbn:de:0114-qn021188

Dr. Christa Schikorra

Berlin

E-Mail: Christa.Schikorra@alumni.tu-berlin.de

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