Wirksamkeit von Reintegrationsmaßnahmen für Berufsrückkehrerinnen

Rezension von Sandra Schaffert

Cornelia Feider:

Berufsrückkehrerinnen.

Erwerbs- und Familienverläufe nach Qualifizierungsmaßnahmen aus biographischer Perspektive.

Bielefeld: Bertelsmann 2006.

226 Seiten, ISBN 3–7639–3232–1, € 29,90

Abstract: In einer qualitativen Studie untersucht Cornelia Feider Biographien von Frauen, die an Qualifizierungsmaßnahmen für Berufsrückkehrerinnen teilgenommen haben. Im Rahmen ihres Dissertationsprojekts interviewte sie dazu 20 ehemalige Teilnehmerinnen und entwickelte sechs Typen von Berufsrückkehrerinnen, ihren Erwerbsverlaufsmustern und von damit verbundenen Haltungen zu Beruf und Familie.

Förderung von Berufsrückkehrerinnen

Berufsrückkehrerinnen im Sinnes des deutschen Sozialgesetzbuchs sind Frauen (bzw. Männer), die „ihre Erwerbstätigkeit oder Arbeitslosigkeit oder eine betriebliche Berufsausbildung wegen der Betreuung und Erziehung von aufsichtsbedürftigen Kindern oder der Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger unterbrochen haben und […] in angemessener Zeit danach in die Erwerbstätigkeit zurückkehren wollen“ (vgl. § 20).

Berufsrückkehrerinnen sind demzufolge nicht mit Frauen im Erziehungsurlaub bzw. in der Elternzeit zu verwechseln, unter anderem weil letztere einen Anspruch auf ihren Arbeitsplatz haben. Es gibt in Deutschland aber viele tausend Frauen, die auch über die Elternzeit hinaus, also länger als die ersten drei Lebensjahre des Kindes ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen. Dies geschieht aus ganz unterschiedlichen Gründen; das Spektrum reicht von Müttern, die gerne und bereitwillig ihre Erwerbstätigkeit aufgeben, um sich auf den Haushalt und Nachwuchs zu konzentrieren, bis zu Müttern, für die die Aufgabe der Erwerbstätigkeit ein schwerer Verzicht ist, der aus dem Mangel an adäquater Kinderbetreuung entsteht.

Seit der Neuordnung der deutschen Arbeitslosenpolitik im Rahmen von Hartz IV haben Berufsrückkehrerinnen (in der Regel sind sie weiblich) weder einen Rechtsanspruch auf Unterhalt, wenn sie eine Fortbildung zum Wiedereinstieg machen, noch gibt es erleichterte Bedingungen für die Teilnahme an Weiterbildungsangeboten. Dennoch gibt es eine Reihe von Beratungs- und Bildungsangeboten für Berufsrückkehrerinnen, die z. B. mit europäischen Fördermitteln oder aus Gleichstellungsfonds der Bundesländer finanziert und von lokalen Trägern angeboten werden. Als Orientierungskurse werden dabei Maßnahmen bezeichnet, die Frauen bei der grundsätzlichen persönlichen und beruflichen Neuorientierung in oder nach einer Familienphase unterstützen. Hinzu kommen beruflich qualifizierende Angebote, die häufig für die Bereiche Büro bzw. Soziales qualifizieren.

Herkömmlich definiert sich der Erfolg einer öffentlich geförderten Reintegrationsmaßnahme über die Quote der in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen Vermittelten. Gerade bei den Berufsrückkehrerinnen ist dieser Übergang jedoch nicht nur eine Frage der beruflichen qualifikatorischen Anpassung und eines entsprechenden Arbeitsplatzangebots. Trotz erfolgreicher Qualifikation sind eine erneute Schwangerschaft oder ein pflegebedürftiger Angehöriger nur zwei der möglichen Gründe, dass sich der Wiedereintritt in das Erwerbsleben verzögert. Zudem haben die Seminare für Berufsrückkehrerinnen zugleich auch den Anspruch, Orientierung und Kontakte mit anderen Berufsrückkehrerinnen zu ermöglichen, was sich auch positiv auf das berufliche Selbstwertgefühl auswirken kann.

All dies ist Grund genug, über die einfache Vermittlungsquote hinweg einen Blick auf die Prozesse zu werfen, die von den Kursen für Berufsrückkehrerinnen initiiert und unterstützt werden.

Hintergrund, Ziel und Methode

Cornelia Feider hat sieben Jahre lang Kurse für Berufsrückkehrerinnen geleitet und stellt sich in ihrer Dissertation die Frage, „welche Prozesse die Frauen, die durch eine Qualifizierungsmaßnahme auf die Rückkehr ins Erwerbsleben vorbereitet wurden, durchlaufen, in welcher persönlichen, beruflichen und familiären Situation sie sich mehrere Jahre nach Maßnahmeende befinden und wie sie ihre Lebens- und Berufsentscheidungen erklären“ (S. 10).

Neben der Auswertung einiger mit einem Fragebogen erfasster Daten zum Erwerbsverlauf nützt Cornelia Feider die qualitative biographische Methode, um herauszufinden, welche Bedeutung die Frauen dem absolvierten Lehrgang für den weiteren Erwerbsverlauf und für ihre aktuellen Lebensumstände zusprechen (vgl. S. 11). Die Autorin führte dazu mit zwanzig ehemaligen Kursteilnehmerinnen narrative Interviews nach Fritz Schütze durch. Mit Hilfe eines Vergleich der Interviews klassifiziert sie die individuellen Verläufe, Muster und Strukturen in sechs Typen von Berufsrückkehrerinnen.

Entwicklung einer Typologie von Berufsrückkehrerinnen

Die Auswertung der schriftlichen Befragung von 86 ehemaligen Teilnehmerinnen an Qualifizierungsmaßnahmen ergibt folgende Ergebnisse: Bei fast allen Berufsrückkehrerinnen mündete die Qualifizierung in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung (mehrheitlich in Teilzeit). Meist ist der Wiedereinstieg maßnahmeadäquat erfolgt, viele Berufsrückkehrerinnen arbeiten in Klein- und Kleinstbetrieben.

Aus den Teilnehmerinnen der schriftlichen Befragung wurden zwanzig ausgewählt, die sich in wichtigen Merkmalen (u. a. Erwerbstätigkeit, Familienstand, Alter) deutlich unterschieden, um günstige Voraussetzungen für eine möglichst vollständige Typenbildung zu schaffen. Die Analyse der Interviews ergab folgende sechs Typen von Berufsrückkehrerinnen:

„1. hohe Erwartungen an Erwerbsarbeit und Familie

2. Familiäre Gebundenheit vor beruflichen Ambitionen

3. Erwerbsarbeit als nachfamiliale Sinnquelle neben Freizeitinteressen

4. Wachsendes Vertrauen in sich selbst und in die Eigenverantwortung der Kinder

5. Berufliche vor familiärer Verantwortung

6. Existenzsicherung der partnerlosen Familie durch Erwerbsarbeit“ (S. 82 ff).

Für jeden Typus wählt Cornelia Feider einen Fall aus, den sie ausführlich darstellt, indem sie Hintergrundinformationen zur Lebenssituation gibt und die Biographie unter Zuhilfenahme von Interviewausschnitten chronologisch nacherzählt. Schließlich analysiert Cornelia Feider die Art der Selbstdastellung bei den Interviewten, erkennbare biographische Strukturen oder Mechanismen (Prozessstrukturen), die Aussagen über eine Verortung im Spannungsverhältnis Familie und Beruf sowie über die Bedeutung von Teilzeitarbeit, die Haltungen und Orientierungen gegenüber Erwerbsarbeit und schließlich die Aussagen über den Stellenwert des Lehrgangs in der Retrospektive. Ergänzend beschreibt sie in kurzen Portraits andere Interviewte des Typus.

Im Gegensatz zu den anderen Typen, die sich, zumindest in der Retrospektive, durch relativ starre Prozessstrukturen und Orientierungen auszeichnen, zeigt sich die Dynamik in den Biographien insbesondere beim Typus „Wachsendes Vertrauen in sich selbst und in die Eigenverantwortung der Kinder“. Insbesondere hier zeigt sich auch die Stärke eines qualitativen Verfahrens und die Originalität der Arbeit, weil nicht nur die bekannte Unterscheidung nach der Orientierung (Beruf und/oder Familie) einbezogen wird. Eine zentrale Rolle bei der Zuordnung zu diesem Typus „kam der Rolle der Erwerbsarbeit als Medium zur Steigerung des Selbstwertgefühls zu, die sich als biographisches Muster ausmachen lässt“ (S. 151). Diese Frauen haben zunächst Angst, dass ihre Leistungen nicht den Kursanforderungen entsprechen, und bewerten die Kurse retrospektiv als sehr positiv in Bezug auf ihre Qualifikation wie auf ihre persönliche Entwicklung und Möglichkeit für Kontakte.

Für die Bewertung der Orientierungskurse kommt die Autorin, wenig überraschend, jedoch stichhaltig argumentierend, zu einem positiven Fazit: Trotz recht unterschiedlicher Werthaltungen gegenüber Beruf und Familie sowie unterschiedlicher Erwerbsverläufe wird die Teilnahme am Qualifizierungskurs retrospektiv positiv bewertet.

Fazit

Dass viele Frauen ihre Erwerbstätigkeit für mehrere Jahre, also über die Dauer der Elternzeit hinaus, aufgeben, ist in Deutschland Realität, wie auch immer man dies bewerten mag. Durch ihr überlegtes, strukturiertes und gut nachvollziehbares qualitatives Vorgehen ermöglicht Cornelia Feider einen fundierten und anschaulichen Blick auf die Lebensverhältnisse, Orientierungen und Entwicklungen von Berufsrückkehrerinnen und die Wichtigkeit von entsprechenden Orientierungs- und Qualifizierungsangeboten.

URN urn:nbn:de:0114-qn073250

Sandra Schaffert M.A.

Bad Reichenhall

E-Mail: sandra@schaffert.ws

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