Eine außergewöhnliche Biographie

Rezension von Andrea Rönz

Gabriele Habinger:

Ida Pfeiffer.

Eine Forschungsreisende des Biedermeier.

Wien: Milena 2004.

247 Seiten, ISBN 3–85286–114–4, € 17,90

Abstract: Erst im Alter von 44 Jahren, als ihre beiden Söhne erwachsen waren, begann die Wienerin Ida Pfeiffer Forschungsreisen zu unternehmen, die sie in den folgenden 16 Jahren zunächst ins Heilige Land und anschließend zweimal um die ganze Welt führen sollten. Die hierzu veröffentlichten Reiseberichte erfreuten sich beim zeitgenössischen Publikum großer Beliebtheit, die von den Reisen mitgebrachten Sammlungen stellten eine bedeutende Bereicherung für die Wissenschaft dar. Trotz dieser für die Mitte des 19. Jahrhunderts ungewöhnlichen weiblichen Biographie blieb Ida Pfeiffer dennoch in ihren Schriften eine Verfechterin der bürgerlichen Normen und Werte. Diesen widersprüchlichen Charakter zu beleuchten hat sich Gabriele Habinger zur Aufgabe gemacht.

Kindheit, Jugend, Ehejahre und Kindererziehung

Die mit fünf Brüdern und einer Schwester aufgewachsene Ida Pfeiffer wurde bis zum frühen Tod ihres Vaters zusammen mit ihren Brüdern erzogen, allerdings nicht mit ihnen zusammen ausgebildet, denn während sich die Brüder in einer „Lehr-Anstalt“ befanden, wurde das Mädchen den Gepflogenheiten der Zeit entsprechend zu Hause unter der Aufsicht der Mutter unterrichtet. Idas Heirat mit einem verwitweten Rechtsanwalt ging eine unglückliche Liebesbeziehung mit dem für sie engagierten Hauslehrer voraus, dessen Werben um Ida deren Mutter unterbunden hatte, da der Auserwählte nicht standesgemäß erschien. Doch auch der Ehemann konnte für seine Frau und die zwei Söhne Alfred und Oscar aufgrund beruflichen Misserfolgs nicht sorgen, so dass Ida Pfeiffer sich bald gezwungen sah, zurück nach Wien zu ziehen und Erziehung und Ausbildung der Kinder allein, jedoch mithilfe des Erbes der verstorbenen Mutter zu bestreiten.

Die Reisen

Ihre erste große Reise führte Ida Pfeiffer 1842 als Pilgerfahrt über mehrere Monate nach Palästina, ein vor dem Hintergrund jahrhunderterlanger Tradition nicht ungewöhnliches Ziel. Auf ihrer Route machte sie u. a. Station in Konstantinopel, Bursa, Smyrna, Rhodos, Zypern und Beirut und schloss die Reise mit einem Aufenthalt in Ägypten ab. Knapp zweieinhalb Jahre später brach sie nach Island und Skandinavien auf, ein im Gegensatz zur Pilgerreise nach Palästina ungewöhnliches, ja spektakuläres Reiseziel. Die Route führte über Reykjavik nach Christiana, Göteborg, Stockholm und Uppsala, wo der ungewöhnliche Gast von der schwedischen Königin empfangen wurde, die reges Interesse an Pfeiffers Reisetätigkeit zeigte. Nicht einmal sieben Monate nach ihrer Rückkehr brach Ida Pfeiffer zu ihrer mehrere Jahre währenden ersten Weltreise auf, auf der sie bis 1848 u. a. Südamerika, Tahiti, China, Singapur, Ceylon, Indien und den Nahen Osten besuchte. Die zweite Weltreise führte von 1851 bis 1855 u. a. über London nach Kapstadt, Singapur, Java, Sumatra, Celebes, die Molukken nach Nord- und Südamerika. Ihre letzte Reise bestritt Ida Pfeiffer von Mai bis September 1858 nach Madagaskar. Nur wenige Wochen nach ihrer Rückkehr verstarb sie am 28. Oktober 1858 in Wien an den Folgen einer jahrelangen Malariaerkrankung.

Die Schriften

Die Beobachtungen, die sie auf ihren Reisen machte, hielt Ida Pfeiffer detailliert in zahlreichen Publikationen fest, deren Erlös ein wichtiger Bestandteil bei der Finanzierung weiterer Reisen war. Obwohl die Schriften als Unterhaltungslektüre für das gehobene Bürgertum gedacht waren, sind sie mit Einschränkungen auch für Ethnologen interessant, denn neben der traditionellen Kultur fremder Völker, deren Gewohnheiten, Sitten und Bräuche werden auch die Zusammensetzung der Bevölkerung, die Siedlungsstrukturen, Häuserformen und Wohnverhältnisse und Rituale wie Hochzeiten und Begräbnisse sowie Eheformen oder Vererbungsgesetze geschildert. Auch das Aussehen der Menschen beschreibt Pfeiffer ausführlich und nicht ohne subjektive Wertung. Eine zentrale Position nimmt auch das Zusammenleben und der Gegensatz von „Wilden“, also Ureinwohnern, und „Zivilisierten“, also europäischen Einwanderern in den Kolonien, ein.

Die Sammlungen

Bereits in Palästina und auf Island begann Ida Pfeiffer mit dem Sammeln von Naturalien und entwickelte hierbei einen ungeheuren Ehrgeiz. Die tausende trotz oft schwierigster Umstände mitgebrachten Pflanzen, Insekten, Käfer, Schmetterlinge, Krebstiere, Mollusken, Fische, Vögel, kleine Säugetiere und Mineralien, aber auch Ethnographica und kulturhistorische Artefakte, die sie europäischen Museen zum Kauf anbot, gingen u. a. in die Sammlungen des Wiener Naturhistorischen Museums und des dortigen Museums für Völkerkunde ein.

Das Ansehen

In der zeitgenössischen Gelehrtenwelt blieben die Bemühungen Ida Pfeiffers, mit ihren Reisen Beiträge für die Wissenschaft zu leisten, nicht ungehört. Sowohl Alexander von Humboldt als auch August Petermann oder Carl Ritter waren von den Leistungen der Wienerin ebenso beeindruckt wie der Großteil der internationalen Wissenschaftler, Naturforscher, Geographen und Reisenden; von Humboldt empfing Ida Pfeiffer in Berlin und urteilte: „Sie haben Unglaubliches durchgeführt!“ Der preußische König Friedrich Wilhelm IV. zeichnete sie 1856 mit der Goldenen Medaille für Wissenschaft und Kunst, der höchstmöglichen Ehrung, aus; die Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin verlieh ihr als erster Frau die Ehrenmitgliedschaft, ebenso die Société de Géographie de Paris und die Kaiserlich-königliche Geographische Gesellschaft zu Wien – womit die Unterstützung durch ihr Heimatland jedoch bereits erschöpft war. Doch hatte die öffentliche Präsenz auch kritische Stimmen zur Folge, und Karikaturen oder Schmähschriften und hitzige Diskussion in den Medien blieben nicht aus. Erst 1892 erhielt Ida Pfeiffer ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof.

Gabriele Habinger ist ein interessanter und lesenswerter Überblick über Ida Pfeiffers Reisen und ihren Beitrag zur Wissenschaft gelungen. Die in den Schriften immer wiederkehrende Diskrepanz zwischen dem Verhalten Pfeiffers und ihren bürgerlichen Normen und Werten kann die Autorin jedoch nicht erschöpfend deuten; der alleinige Verweis auf die Sozialisation Pfeiffers kann hier nicht zufrieden stellen.

URN urn:nbn:de:0114-qn061137

Andrea Rönz M.A.

Bonn, Leiterin Stadtarchiv Linz am Rhein

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