Ein Kopf- und Bauchladen: Wo steht die Feministische Theologie?

Rezension von Gabriele Kammerer

Irene Leicht, Claudia Rakel, Stefanie Rieger-Goertz (Hg.):

Arbeitsbuch Feministische Theologie.

Inhalte, Methoden und Materialien für Hochschule, Erwachsenenbildung und Gemeinde.

Gütersloh: Chr. Kaiser/Gütersloher Verlagshaus 2003.

380 Seiten, ISBN 3–579–05400–7, € 27,95

Abstract: Mit diesem Arbeitsbuch informieren Wissenschaftlerinnen über den Stand der feministisch-theologischen Forschung und reklamieren einen festen Platz in der institutionalisierten Lehre. In 19 Kapiteln stellen sie Themen und Fragen vor, ausgehend von „Grundbegriffen“ und „Verortung“ über „Bibelauslegung“ oder „Christentumsgeschichte“ bis hin zu „Liturgie“ oder „Kontextuellen Theologien“. Das Buch eignet sich zum Nachschlagen und Lesen auch für Einzelne, vor allem aber richtet es sich an Multiplikatorinnen. Zur didaktischen Umsetzung inspirieren ausgearbeitete Seminareinheiten und eine beigefügte CD-ROM mit Text- und Bild-Materialien.

Dass die Feministische Theologie in Deutschland beim akademischen Nachwuchs einen schweren Stand hat, liegt nicht an ihren Inhalten. Davon jedenfalls sind die Herausgeberinnen des Arbeitsbuches Feministische Theologie überzeugt. Der Negativ-Trend ließe sich umkehren, wenn „die Auseinandersetzung der etablierten Theologie mit feministisch-theologischer Forschung selbstverständlicher und intensiver geführt würde“ (S. 21) und wenn ihre Themen an Lehrstühlen und in Lehrplänen mehr Raum bekämen. Diese Institutionalisierung voranzutreiben, ist explizites Anliegen des Arbeitsbuches. Seine Autorinnen gehören nicht mehr zur Generation der Pionierinnen, sondern sind früh in ihrer wissenschaftlichen Ausbildung mit Feministischer Theologie in Berührung gekommen. Selbstbewusst präsentieren sie den aktuellen Stand der Forschung. Ihre Vernetzung überschreitet spielend die Grenzen der alten Wissenschaft Theologie: Das Arbeitsbuch orientiert sich weder an konfessionellen Zugehörigkeiten noch an den traditionellen Disziplinen der Theologie.

Allgemeines ins Besondere übersetzt

Gestaltungsprinzip ist vielmehr das didaktische Anliegen der Elementarisierung, also das Bestreben, „am Besonderen das Allgemeine anschaulich zu machen“ (S. 19). Diesem Anliegen trägt das Buch in seinem großen Bogen Rechnung: Auf die „Voraussetzungen“ („Grundbegriffe“ – „Verortung“ – „Wissenschaftskritik“) folgen die „Grundlagen“ („Gottesrede“ – „Bibelauslegung“ – „Anthropologie“ – „Christologie“) und schließlich die „Konkretionen“ in einzelnen Feldern: „Christentumsgeschichte“, „Religiöse Sozialisation“, „Ethik“, „Körper und Sexualität“, „Ökofeminismus“, „Macht und Gewalt“, „Sünde“, „Kirche“, „Liturgie“, „Spiritualität und Mystik“, „Maria“ und „Kontextuelle Theologien“.

Aber auch jedes einzelne Kapitel führt vom Allgemeinen zum Besonderen. Eine mehrseitige Einführung umreißt das jeweilige Thema, sie wird von Lernzielen und einer jeweils speziellen Literaturliste abgeschlossen. Es folgen verschiedene Gestaltungsvorschläge in Form von ausgeführten Seminareinheiten oder einzelnen Bausteinen. Die zur Umsetzung benötigten Materialien – oft wissenschaftliche Texte, aber auch Gedichte, Bilder, Fragen, Tafelskizzen oder Bibelstellen – finden sich auf der dem Buch beiliegenden CD-ROM.

Dieses Buch will benutzt werden

Dass einige Themen fehlen – die Herausgeberinnen benennen selbst etwa die „feministische Seelsorge“ oder „das Verhältnis zu anderen Religionen“ (S. 22) – regt angesichts der sonstigen Fülle und des offenen Charakters des gesamten Buches weniger zu Kritik an als vielmehr zu der Hoffnung, dass ein weiterer Band folgen möge.

Zeigen muss sich vielleicht im Gebrauch, ob der Anspruch, Grundsatz-Information und Materialien zu ihrer Vermittlung anzubieten und dabei sowohl auf die akademische Lehre als auch auf die „Basis“ in Erwachsenenbildung und Gemeinden zu zielen, nicht doch etwas zu breit gespannt ist. Manche Einführungstexte sind recht dicht, viele Seminarvorschläge eher textlastig. Für Leiterinnen gemeindlicher Frauengruppen dürfte noch viel Arbeit bleiben, bis sie die Einheiten des Arbeitsbuches für ihre Bedürfnisse übersetzt haben.

Insgesamt aber ist hier ein anregender Kopf- und Bauchladen auf den Markt gekommen. Mit seinen Überblickstexten, den thematischen Bibliografien, mit unzähligen Umsetzungsideen und den arbeits- und wegsparend gesammelten Materialien auf CD-ROM ist das Arbeitsbuch eine unschätzbare Hilfe für Menschen, die sich selbst und anderen einen Einblick in die aktuellen feministisch-theologischen Forschungen verschaffen wollen.

URN urn:nbn:de:0114-qn043157

Gabriele Kammerer, M.A.

Freie Journalistin, Berlin

E-Mail: kammerer@dichtgedacht.de

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