Der Krieg ist kein Frauenkränzchen

Rezension von Doris Wallnöfer

Martin van Creveld:

Frauen und Krieg.

München: Gerling Akademie Verlag 2001.

325 Seiten, ISBN 3–932425–33–2, € 29,60

Abstract: Der renommierte israelische Militärhistoriker Martin van Creveld hat sein vierzehntes Buch geschrieben und sein erstes, in dem Frauen im Mittelpunkt stehen. Er spannt den Bogen von den Amazonen bis zu G.I. Jane und empfiehlt den Frauen, sich vom Kriege fernzuhalten.

Vorweg

Bereits im Vorwort wird van Crevelds Position zur Problematik „Frauen und Krieg“ mehr als deutlich: Von der Aufgabe der Männer, die Frauen zu beschützen, weil sie schwächer sind, ist die Rede und davon, dass Krieg und Kampf nicht zur Rolle der Frau gehören und auch nicht dazugehören sollten. Da alle Berufe, sobald sie von Frauen erobert würden, an Prestige verlören und so für Männer uninteressant würden, sollten Frauen durch ihr Fernbleiben dem Militär dieses Schicksal ersparen. Klipp und klar äußert sich der Autor auch über „die Feministinnen“, die alle Männer automatisch als Vertreter „des Patriarchats“ sehen – „um nur einen der milderen Begriffe zu zitieren, den die Feministinnen erfunden haben und mit dem sie nun um sich werfen.“ (S. 9). Angesichts solcher Äußerungen – der Autor wird ihrer bis zum letzten Kapitel nicht müde – könnte man eine ganze Rezension mit van Crevelds androzentrischem und antifeministischem Weltbild füllen. Doch es bietet sich auch eine andere Möglichkeit der Herangehensweise an, für welche sich die Rezensentin hier entschieden hat: van Crevelds „männlicher“ Blickwinkel wird mehr oder weniger ignoriert, um sich auf einige Aussagen zu konzentrieren, die trotz androzentrischem Grundton auf zentrale Probleme in der Beziehung von Frauen und Krieg/Militär verweisen.

Truppenbild mit Dame

Das vorliegende Buch ist in drei Teile gegliedert. Teil I gibt einen Überblick über Frauen als Anstifterinnen, Ursache, Ziel und Opfer von Kriegen, Teil II, ein sehr buntes Kapitel, welches von den Kriegsgöttinnen antiker Mythen über Gladiatorinnen im alten Rom bis zu G.I. Jane im Zweiten Weltkrieg reicht, erzählt Geschichten und Anekdoten von Frauen, die aktiv an Kriegshandlungen teilnahmen, und Teil III behandelt die Zeit nach 1945, die sich, so van Creveld als eine Geschichte des Niedergangs des Militärs lesen lässt. Er billigt den Frauen eine wichtige Rolle in allen Kriegen zu, jedoch seien diese bis hinein ins 20. Jahrhundert auf die tragische Figur des Opfers und auf die intrigante Figur der Anstifterin beschränkt geblieben.

Das führt den Autor zu der Behauptung, dass Frauen weder als Kämpferinnen noch als Strateginnen in der Kriegsführung eine Rolle spielten – zumindest bis zum Ersten Weltkrieg. Denn erst mit Beginn des ersten technischen Krieges betraten Frauen laut Creveld die Kriegsbühne, wobei viele von ihnen unsichtbar blieben, da sie sich als Mann ausgeben und ihr wahres Geschlecht verbergen mussten.

Im Zuge des Zweiten Weltkriegs schließlich wurden mehr und mehr Frauen für den Krieg mobilisiert, und ein kleiner Teil von ihnen wurde auch als Kombattantinnen eingesetzt – van Creveld zitiert beispielsweise Quellen, die darüber Auskunft geben, dass sich 4,7 Prozent der amerikanischen Soldatinnen „in und in der Nähe von Kampfzonen“ aufhielten, 3,5 Prozent Feindfeuer miterlebten, jedoch nur 2 Prozent in „schwere Kämpfe“ verwickelt waren. (S. 156 f.) Aufschlussreich ist auch ein Experiment, welches vom Autor angeführt wird: 1943 nahmen Frauen an einem militärischen Experiment teil, wodurch geklärt werden sollte, ob Frauen bei Flakeinheiten eingesetzt werden könnten. Es zeigte sich, dass Frauen ihre Sache besser machten als die Männer – doch dieses Ergebnis wurde geheim gehalten, da sich die militärischen Befehlshaber darüber einig waren, dass die amerikanische Öffentlichkeit noch nicht für diese „maskulinen“ Frauen bereit sei. Doch bereits fünf Jahre später wurde „Public Law 625“ verabschiedet, auf dessen Grundlage die US-Streitkräfte erstmals dauerhaft Frauen aufnehmen durften. Weiterhin von Kampfeinsätzen ausgeschlossen, wurde ihnen Lippenstift und Nagellack verordnet – ihr Erscheinungsbild sollte durch und durch das einer Frau und nicht das eines Soldaten sein.

Mehr Fett- und weniger Muskelgewebe

Obwohl van Creveld betont, dass die Erfindung der Atombombe und die zunehmende Technologisierung der Kriegführung den militärischen Hintergrund für den Zustrom von Frauen zu den modernen Streitkräften bilden, geht er auf diese Entwicklung nicht näher ein. Stattdessen finden sich seitenlange Verweise auf Statistiken, die darüber Auskunft geben, dass Frauen in ihrer Körperkraft und -leistung Männern auf allen Gebieten unterlegen seien. So erfährt man beispielweise, dass die durchschnittliche Rekrutin der US-Armee um 12 Zentimeter kleiner ist, 16,9 kg weniger Muskeln und 2,6 Kilo mehr Fett als der durchschnittliche männliche Rekrut hat. Weibliche Soldaten besitzen durchschnittlich nur über 55 Prozent der Kraft im Oberkörper und 72 Prozent im Unterkörper zum Vergleich zum männlichen Durchschnitt, etc. (S. 173ff.) Dass menschliche Körperkraft angesichts der grundlegenden Transformation der Kriegstechnik mehr und mehr an Bedeutung verliert, erwähnt der Autor mit keinem Wort.

Reservefrauen

Weitaus interessanter ist eine andere These des Autors: Frauen waren nicht nur im Ersten und Zweiten Weltkrieg Lückenfüllerinnen, sondern auch und besonders nach 1945 – eine These, die er unter anderem am Beispiel der USA erklärt. Hier leitete der Vietnamkrieg eine Krise der US-Streitkräfte ein: Das Ansehen des Militärs sank auf einen Tiefpunkt, die allgemeine Wehrpflicht wurde daher zugunsten einer Berufsarmee aus Freiwilligen abgeschafft. Obwohl der Personalbestand im Zuge dieser Umstrukturierung auf rund ein Drittel reduziert wurde, fanden sich nicht genügend männliche Freiwillige, vor allem nicht genügend mit College-Abschluss. Deshalb wurden notgedrungen verstärkt Frauen angeworben, und in der Tat meldeten sich weitaus mehr Frauen mit höherer Schulbildung als Männer. War 1972 eine von dreißig Rekrut/-innen eine Frau, so betrug das Verhältnis 1976 bereits eins zu dreizehn. Im Jahre 1980 machten schließlich die ersten Soldatinnen ihren Abschluss an einer Militärakademie. (S. 217f.) Zwischen 1971 und 1981 versiebenfachte sich der Anteil von Frauen in den US-Streitkräften, und der Frauenanteil betrug 8,5 Prozent.

Trotz rückläufiger Truppenstärke war das Militär nun der größte Einzelarbeitsgeber neben der Bundesregierung. Während viele Frauen sowie ein Teil der Feministinnen den verstärkten Zustrom von Frauen ins Militär als Erfolg deuteten, ist van Crevelds Interpretation ernüchternd: Frauen meldeten sich genau dann zum Militär, als sich dieses in einer schweren Krise befand und sein Ansehen im Niedergang begriffen war. „Im Militär ist wie in jeder anderen Institution der Zustrom von Frauen in großer Zahl zugleich Symptom und Ursache schwindenden Ansehens in der Gesellschaft.“ (S. 251) Frauen bekommen im Militär häufig jene Jobs, die Männer nicht mehr haben wollen, und sie werden bis heute zum Großteil im Sanitätsbereich und in der Verwaltung eingesetzt – beide Bereiche werden zunehmend privatisiert.

Des Soldaten neue Kleider

Van Crevelds attestierter Niedergang des staatlichen Militärs, seine Transformation in reine Polizeitruppen sowie die gleichzeitige Verbreitung irregulärer, nicht staatlicher Truppen ist ein Phänomen, welches tatsächlich mehr Beachtung verdienen würde – leicht wird diese Entwicklung aufgrund der medialen Präsenz US-militärischer Einsätze aus den Augen verloren. Ein weiteres Indiz dafür, dass die regulären Streitkräfte an Bedeutung verlieren, ist für van Creveld die wachsende Zahl privater Sicherheitsfirmen, die häufig von ehemaligen Generälen und Admirälen geleitet werden und meist rund um den Globus operieren – so ist beispielsweise die Firma „Wackenhut Ltd.“ in mehr als 50 Ländern tätig. Eine weitere vom Autor festgestellte Tendenz ist die Rückkehr der Söldner, die militärische Aufgaben übernehmen, welche die regulären Truppen nicht mehr ausführen können oder wollen. Die Söldner werden wiederum von Firmen beschäftigt, deren Aufgabengebiet sich von militärischer Analyse über die logistische Unterstützung, von militärischer Ausbildung bis zur Beteiligung an militärischen Operationen erstreckt. So spannend die Ausführungen van Crevelds dazu auch sein mögen, so vergisst er hier plötzlich sein eigentliches Thema, die Frauen. Bis zuletzt hofft man vergebens auf die sonst vom Autor so geliebten Statistiken, die verraten würden, wie viel Prozent Frauen in der prosperierenden Sicherheitsindustrie tätig sind. In seinen Ausführungen wird jedenfalls deutlich, dass er den Sicherheitsfirmen mehr Respekt zollt als dem inzwischen verweiblichten Militär. Die Frage drängt sich auf, ob van Creveld die Frauen absichtlich nicht erwähnt, damit seine Leserinnen nicht auf falsche Gedanken kommen und womöglich auch noch diese aufstrebende Branche durch ihre Präsenz in den Ruin treiben könnten. Damit auch keine Zweifel bleiben, schreibt er am Ende seines Buches: „Es gibt einfach bestimmte Felder, eines davon und mit Abstand das wichtigste ist der Krieg, die ‚frau‘ am besten den Männern überlassen sollte.“ (S. 269).

Um abzuschließen: Es gibt einfach bestimmte Bücher, die muss man nicht gelesen haben. Trotzdem: Van Crevelds androzentrische Perspektive bildet keine Ausnahme auf diesem Forschungsgebiet, und es deshalb einfach zu ignorieren, dürfte nicht zielführend sein. Über das Wissen „des Feindes“ zu verfügen, ist nicht nur in kriegerischen Auseinandersetzungen von zentraler Bedeutung.

URN urn:nbn:de:0114-qn033196

Doris Wallnöfer

Dissertantin am Institut für Politikwissenschaft Wien; Forschungsschwerpunkte: Krieg, Technologie, Geschlechterverhältnisse

E-Mail: wallnoefer@sinn-haft.at

Die Nutzungs- und Urheberrechte an diesem Text liegen bei der Autorin bzw. dem Autor bzw. den Autor/-innen. Dieser Text steht nicht unter einer Creative-Commons-Lizenz und kann ohne Einwilligung der Rechteinhaber/-innen nicht weitergegeben oder verändert werden.