Frauenorte in Sachsen-Anhalt. Interview mit Elke Stolze

Constanze Jaiser

Die FrauenOrte sind ein Netzwerkprojekt ganz besonderer Art. Angeregt durch die Sachsen-Anhalt-Frauen-Initiativ-Runde (SAFIR) und zunächst durchgeführt im Rahmen der Expo wurden im vergangenen Jahr 22 Tafeln enthüllt, die unterschiedlichste FrauenOrte kennzeichnen. Sie spannen einen zeitlichen Bogen von ca. eintausend Jahren Geschichte im regionalen Bezug. Das Projekt ist in dieser Art bislang einzigartig in der Bundesrepublik. Wir luden die Projektleiterin und Historikerin Dr. Elke Stolze zu einem Interview mit Querelles-Net ein und freuen uns, dass Sie sich zu einem persönlichen Gespräch bereit fand. Im Anschluss an das Interview finden Sie noch eine Publikationsliste zum Thema.

Interview

QN: Elke Stolze, Sie sind inzwischen über Halle hinaus bekannt als eine Frau mit Visionen – nicht im mystischen Sinne natürlich, sondern vielmehr in Bezug auf frauenpolitische Arbeit und vor allem auf das Sichtbarmachen von Frauengeschichte. Wie fing denn alles an? Von wo aus sind Sie selbst gestartet? Wie hat sich die Wende auf Ihre berufliche Biographie ausgewirkt?

E.S.: Im Zuge der Wende stand ich zunächst vor einem Aus. Ich habe eine Fortbildung als Wirtschaftsinformatikerin (IHK) absolviert, danach bei verschiedenen privaten Bildungsträgern in Fort- und Weiterbildungskursen und auch in Umschulungskursen gearbeitet. 1993 gab mir eine Bekannte den Hinweis, dass Courage e.V. beabsichtige, ein Projekt zur Frauengeschichte zu starten und als Historikerin sei das vielleicht eine interessante Aufgabe. Ich ging dem Hinweis nach und wurde gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, Frauengeschichte zu bearbeiten. Ich konnte es mir vorstellen.

Im Dezember 1993 startete das Projekt „Frauen machen Geschichte“ und seitdem läßt mich das Thema nicht mehr los. Keineswegs, dies sei beiläufig erwähnt, handelte es sich hierbei um eine gesicherte Anstellung, vielmehr war ich – sicher typisch für DDR-Frauen nach der Wende – in ganz unterschiedlichen und v. a. ungesicherten, da befristeten Beschäftigungsverhältnissen, so als ABM, zeitweilig auch als Gesamtprojektleiterin und als Leiterin des Frauenkommunikationszentrums, mit landes- und kommunalen Mitteln gefördert.

QN: Erzählen Sie uns doch ein wenig mehr darüber, wann und wie die Idee zu den FrauenOrten geboren wurde.

E.S.: Während der Vorbereitungen der Expo wurde in Sachsen-Anhalt eine Expo GmbH gebildet, die gemeinsam mit Projektträgern entsprechende Projekte entwickelte und beförderte, sie auch im Jahr 2000 präsentierte. In dieser Zeit entstand auch ein Frauenarbeitskreis – die Sachsen-Anhalt-Frauen-Initiativ-Runde, kurz SAFIR genannt – dessen Hauptaugenmerk auf Frauenbeteiligung in und an den Projekten gerichtet war (im Sinne von Chanchengleichheit und Förderung). Hier wurde auch die Idee einer Ausstellung zur Frauengeschichte des Landes geboren. Gemeinsam mit der Expo GmbH wurden 1998 die Vorbereitungen zur Umsetzung dieser Idee getroffen, erste Konzepte entstanden und wurden diskutiert; es entstand eine Lenkungsgruppe für das Ausstellungsvorhaben, und schließlich richtete die Gesellschaft 1,5 Stellen, sowie ein Ausstellungsbüro ein, suchte nach einem Ausstellungsort und vergab auch Studienaufträge.

Ich hatte mich um eine der Stellen beworben und erschien für das Vorhaben auch wegen meiner Projekterfahrungen geeignet. Bald wurde offensichtlich, dass der Stand der Forschungen zur Frauengeschichte und die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel nicht ausreichen, um das anspruchsvolle Vorhaben – Ausstellung zur Frauengeschichte in Sachsen-Anhalt (zeitliche Dimension 1000 Jahre) – in der kurzen Zeit realisieren zu können. So kam es zu einem Stop im Sommer 1999. Zugleich erhielt ich den Auftrag, das bisher Erarbeitete in einem Projekt aufzuheben; gleichzeitig auch Ergebnisse, die in Projekten außerhalb von Forschungseinrichtungen (also meist ABM-Projektergebnisse) entstanden sind, zu erfassen und Frauengeschichte in anschaulicher und anregender Form sichtbar werden zu lassen.

Vor diesem Hintergrund entwickelte ich vor knapp 2 Jahren das Projekt FrauenOrte – Frauengeschichte in Sachsen-Anhalt, das ein Netz ausgewählter, mit Tafeln gekennzeichneter FrauenOrte über Sachsen-Anhalt mit einer zeitlichen Dimension von 1000 Jahren spannt, diese Orte thematisch mit dem gleichnamigen Buch verknüpft und zur Spurensuche vor Ort (auch touristischen Unternehmungen im Zuge von thematischen Zeitreisen) anregt. Im Herbst 1999 habe ich das Projekt zusammen mit dem Geschäftsführer der Expo GmbH und der Frauenministerin Dr. Gerlinde Kuppe vorgestellt. Die Nachhaltigkeit, der Netzcharakter und die Einbeziehung breiter Projektergebnisse haben überzeugt. So entstand in Sachsen-Anhalt ein Expo-Projekt, dass anders als bisherige im gesamten Land wirksam wurde.

QN: Die gekennzeichneten FrauenOrte umfassen ein breites Spektrum von Frauengeschichte. Es reicht von den Frauen im Bauhaus in Dessau bis zur Gedenkstätte Bernburg, wo die Nationalsozialisten viele Frauen im Rahmen „Euthanasie“-Aktion ermordeten. Wie sah der Weg von der Aufnahme in das Projekt bis zur Umsetzung und Einweihung aus?

E.S.: Ich erwähnte ja bereits, dass für das Ausstellungsvorhaben ein Konzept vorlag. Es war meine Aufgabe, die thematischen Schwerpunktsetzungen des Konzeptes und die davon ausgehenden ersten Arbeitsergebnisse in den FrauenOrten „aufzubewahren“. Ich habe ausgehend von diesem Konzept überlegt, an welchen Orten in Sachsen-Anhalt welcher der thematischen Schwerpunkte festgemacht werden kann, was dort für Interessierte vorzufinden ist und wer gegebenenfalls Frauengeschichte vermitteln könnte, also Ansprechpartner u.ä.

Wichtig war mir dabei, dass bestehende Museen oder Einrichtungen integriert werden und so als Anlaufpunkt genutzt werden können – also auch ein Stück Aufbrechen bisheriger Geschichtsbetrachtung/-vermittlung. Der Blick auf Geschichte war ja, wie wir wissen, bisher vorwiegend ein männlicher. Leistungen von Männern werden in der öffentlichen Erinnerung wach gehalten, die von Frauen blieben eher verborgen, sie sind aber da – also müssen sie aus dem Verborgenen ans Licht geholt und sichtbar gemacht werden.

QN: Dies trifft auf den Umgang mit DDR-Geschichte vielleicht in verschärfter Weise zu, nicht wahr? Denn seit der Wende führt ein gewisser Kolonialisierungsgestus von westlicher Seite dazu, dass die Geschichte der DDR an marginale Erinnerungsorte verwiesen wird.

E.S.: So könnte man sagen, ja. Nun ging es bei meinem Projekt auch immer um die Erweiterung des Geschichtsbildes, des Wissens über Landesgeschichte. Es entstand ein Vorschlag, der wie schon erwähnt Zustimmung seitens der Frauenministerin fand und mit den SAFIR-Frauen diskutiert wurde. Auf dieser Grundlage habe ich eine Menge Briefe an Institutionen und Einrichtungen, an deren Träger und auch an die Eigentümer der Gebäude geschrieben. Diesen Kreis habe ich nach Dessau – dem Sitz der Expo-Gesellschaft – eingeladen und das Projekt vorgestellt. Und dann konnte es wegen des positiven Echos, das auch zur Aufnahme neuer Vorschläge führte, los gehen.

Nahezu gleichzeitig gewann ich 16 Frauen und Männer für die Mitarbeit an dem Buch. Ich erstellte eine Internetpräsentation und ich trieb die Vorbereitungen für die Tafeln und die Präsentation des Projektes voran – und das hieß nicht etwa, auf einen Tag hinzuarbeiten, an dem das Projekt vorgestellt/präsentiert wurde. Denn die Präsentation erfolgte zwischen dem 31. Mai und dem 22.Dezember 2000 eigentlich 22 Mal an den jeweiligen Tafelorten unter Einbeziehung der konkreten örtlichen Bezüge und bei gleichzeitigem Sichtbarmachen, dass FrauenOrte nichts Statisches sind (d.h. alle Orte, die Frauengeschichte vermitteln bzw. mit dieser verknüpft sind, sind FrauenOrte – auch ohne Tafel; eine Stadt ebenso wie ein Haus, das mit dem Leben einer oder mehrer Frauen verbunden ist ob als Geburts-, Wohn- oder Sterbehaus, Arbeitsort oder Treffpunkt).

So war das Projekt über den Präsentationszeitraum der Expo hinaus noch präsent. Inzwischen ist aus dem Expoprojekt ein Landesprojekt in der Trägerschaft des Courage e.V. Halle geworden, gefördert durch das Ministerium für Arbeit, Frauen, Gesundheit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt, das u.a. auch das Netz der gekennzeichneten FraueOrte erweitern wird.

QN: Sehr auffällig und spannend finde ich, dass sich die FrauenOrte unterscheiden lassen in ein Erinnern an einzelne herausragende Frauen, die mit dem Land verbunden waren – zum Beispiel Jenny Marx, die in Salzwedel geboren wurde – und an ganze Gruppen von Frauen, wie eben die bereits schon erwähnten Dessauer Bauhaus-Frauen oder auch die einst berühmte Filmfabrik in Wolfen, die 85 Jahre lang Arbeitsplatz für viele Frauen der Region war. War dieses Auswahlkriterium entscheidend? Und welche Vorstellungen zur Frauengeschichtsschreibung stehen eventuell dahinter? Gibt es noch weitere Kriterien, nach denen Sie Orte in die engere Wahl genommen hatten?

E.S.: Ja, es ist so, dass einzelne Frauen, deren Biografien oder Lebensbedingungen oder Lebensentwürfe ( z.B. Kloster und Stifte; Arbeitswelten), aber auch sozialgeschichtliche Bezüge (z.B. Bildungsgeschichte, Entstehung von Frauenberufen z. B. der der Kindergärtnerin) bei der Auswahl beachtet wurden. Es ist schon interessant, dass in unserem Territorium der älteste Fröbelkindergarten existiert, der seit seiner Gründung vor nunmehr 155 Jahren ununterbrochen im gleichen Gebäude in Zörbig (Landkreis Bitterfeld) mit diesem Ansatz besteht. Oder dass in Leuna bereits 1926 der erste Betriebskindergarten seine Pforten öffnete.

Es ist schwer die Vielschichtigkeit von Frauenleben und damit Frauengeschichte zu erfassen: das Besondere im Einzelnen, das zugleich selbstverständlich erscheint, auch zu benennen und so weibliches Selbstverständnis und -bewußtsein, wie auch Auseinandersetzung mit Frauenbildern und Rollenbildern zu befördern, ist Anliegen und (vermitteltes) Kriterium zugleich.

QN: Sachsen-Anhalt war ja auch ein Land der Adels- und Fürstengeschichte, wie die FrauenOrte Schloß Wernigerode, Schloß Neuenburg oder Schloß Augustusburg nahelegen. Könnten Sie uns ein wenig Nachhilfeunterricht in Geschichte geben? Und vor allem erläutern, was diese Schlösser zu besonderen FrauenOrte macht?

E.S.: Schloß Neuenburg – heute Museum – in Freyburg an der Unstrut gehörte einst zu Thüringen, war einer der Sitze der thüringer Landgrafen. Der Ausbau des Schlosses im Spätmittelalter als Reichsschloß ist u.a. mit Elisabeth von Thüringen, die bereits kurz nach ihrem Tode heilig gesprochen wurde, verbunden. Sie hielt sich an diesem Ort wiederholt auf. An ihrem Beispiel lässt sich die Ausstrahlung der Armenorden und der Beginenbewegung deutlich machen. Und noch eines ist für die Entscheidung für diesen Ort wichtig gewesen: Es waren vor allem Frauen, die Ende der 1980er Jahren bürgerbewegt begannen, die Burg dem Verfall zu entreißen und sich für die Wiedereröffnung des Museums zu engagieren. In Weißenfels – Schloß Neu-Augustusburg – der einstigen Residenz der Herzöge von Sachsen-Weißenfels – erinnern wir an Caroline Neuber, genannt die Neuberin, die hier am Hof erstmals mit ihrer Theatertruppe auftrat. Zugleich beherbert das Gebäude das Schuhmuseum und schlägt so den Bogen zu einem wichtigen Erwerbszweig von Frauen in Weißenfels – die Schuhindustrie.

Und Wernigerode spiegelt Geselligkeitskultur im ausgehenden 19. Jahrhundert wider, macht auch Engagement von Adelsfrauen in ihrem Verantwortungsbereich deutlich. Hier ist insbesondere Fürstin Anna von Stolberg-Wernigerode zu nennen.

QN: Gibt es denn auch etwas zu sagen über Karrieren von Frauen in Sachsen-Anhalt, sowohl in der Politik als auch in Universitäten und anderen Einrichtungen?

E.S.: Sicher gibt es auch etwas zu Karrieren von Frauen zu sagen. Beispielsweise erinnert die Tafel in Halberstadt an Minna Bollmann. Sie wurde im Wahlkreis Halberstadt-Magdeburg in den zwanziger Jahren als Spitzenkandidatin für die Wahlen zum Preußischen Landtag und auch zum Reichstag durch die SPD aufgestellt. Sie gehörte zu den Pionierinnen auf parlamentarischer Bühne und hat in der Geschichte der regionalen Arbeiterinnenbewegung ihre Spuren hinterlassen.

Etwas versteckt und erst durch Museen bzw. Stadtrundgänge vermittelt, finden wir die Universitätsfrauen. In Quedlinburg beispielsweise ist die Tafel am Schloßberg angbracht – den Eingang zum Stift Quedlinburg – heute Museum. Hier wird auf Karrieren von Stiftsdamen, auf Bildungsmöglichkeiten von Frauen hingewiesen. Nur wenige Meter entfernt befindet sich im Kloppstockhaus eine Ausstellung zu Dorothea Erxleben – der Quedlinburger Arzttochter und ersten deutschen Ärztin, die in Halle promoviert wurde.

Und Halle selbst hat an der Stelle, wo 1809 die erste geburtshilfliche Klinik der Universität eingerichtet wurde, eine Tafel – im Hof der neuen, ehemals erzbischhöflichn Residenz. Hier ist ein Bezug zur Erxleben herstellbar. Das Christian-Wolff-Haus in Halle, ca. 10 min. vom Domplatz entfernt, ein einstiges Professorenhaus, heute Stadtmuseum, wird durch den Courage e.V. bei seinem Stadtspaziergang genutzt, um über das Frauenstudium und wissenschaftliche Karrieren – z.B. erste Dozentin, erste Professorin usw. – zu sprechen.

QN: Im Mitteldeutschen Verlag Halle erschien 2000 das Buch „FrauenOrte. Frauengeschichte in Sachsen-Anhalt“, das von Ihnen herausgegeben wurde. Es wird in unserer aktuellen Nummer auch besprochen. Ich finde, es verwirklicht ebenso wie das ganze Projekt einen innovativen Ansatz in der Darstellung von regionaler Frauengeschichte. Doch vielleicht möchten Sie selbst etwas zur Konzeption und zum methodischen Vorgehen sagen?

E.S.: Ich habe bereits davon gesprochen, dass es für das Projekt wichtig war, Vorhandenes zu bewahren und ins Bewußtsein zu rücken. Mit dem Buch war eine Möglichkeit gefunden, unter Nutzung der thematischen Schwerpunktsetzungen des Ausstellungskonzeptes Bilanz zu ziehen: Bilanz, die den Forschungsstand reflektiert, weiße Flecken sichtbar macht aber auch unterschiedliche „Umgangs- oder auch Herangehensweisen“ erkennen läßt. Und das Buch sollte einen möglichst breiten Kreis von Interessierten ansprechen, nicht nur Fachmenschen. Wie die bisherigen Reflektionen zeigen, ist es offenbar gelungen, sowohl Menschen vom Fach als auch allgemein Interessierte – Frauen wie Männer – mit seinen Inhalten anzusprechen. Der umfangreiche Anhang stellt erstmals eine Übersicht der Projekte in Sachsen-Anhalt zur Frauengeschichte und deren Ergebnisse vor – also zumindest derjenigen Projekte, die mir auf den vorangehenden Fragebogen geantwortet haben.

QN: Interessant auch für andere Online-Projekte wie z.B. den Server Frühe Neuzeit ist ja zum Beispiel die Erforschung der Hexenverfolgung in der Frühen Neuzeit auf dem Gebiet von Sachsen-Anhalt, zu der ein Beitrag von Monika Lücke und Walter Zöllner in Ihrem Band veröffentlicht ist. Immerhin konnten zu Sachsen-Anhalt 150 Prozesse ermittelt werden. Ich habe gesucht, und es scheint, das auf dem Server erscheinende Online-Lexikon wartet noch auf die Einarbeitung der von Ihnen publizierten Einsichten zur regionalen Hexenverfolgung. Wie steht es überhaupt mit der Vernetzung mit anderen regionalen und überregionalen Internetadressen – immerhin entspricht ja dieses Neue Medium vortrefflich Ihrem Anliegen der Vernetzung? Haben Sie über virtuelle Formen der Vernetzung, des Austauschs schon nachgedacht?

E.S.: Mit unserem Projekt konnte ich Walter Zöllner und Monika Lücke anregen, zum Thema Hexenverfolgungen in Sachsen-Anhalt weiter zu arbeiten. Die im Buch ausgewiesenen Angaben sind inzwischen durch weitere Forschungen von Frau Lücke überholt. Ein Ende 2000 in der Reihe des Courage e.V. „Frauenleben Frauenalltag gestern und heute“ veröffentlichtes Heft zu diesem Thema geht bereits über den Beitrag im Buch hinaus, und es ist sicher noch Einiges zu erwarten. Mich freut es sehr, dass nicht nur bei diesem Thema der Ball angenommen und weitergespielt wird. Die bisher noch nicht erfolgte Vernetzung mit Online-Projekten macht eben auch deutlich, dass wir noch am Anfang stehen. Und, was sicher nicht ganz unbedeutend ist: Ich habe zwar viele Partner/-innen vor Ort an den Netzknoten, die dort den Gedanken und die Idee befördern und Eigenes entwickeln; leider bin ich sonst aber einzige Projektmitarbeiterin. FrauenOrte sind bereits vernetzt mit FRISA – Frauen In Sachsen-Anhalt. Ich bereite gegenwärtig eine Vernetzung mit dem Tourismusportal des Landes Sachsen-Anhalt vor.

QN: Besonders spannend finde ich die ganz real – und nicht virtuell – stattfindenen Rundgänge, Stadtführungen und Exkursionen, die Sie auch auf Ihrer ansprechenden, informativen Homepage aufführen. Sind diese als Begleitprogramm zu den FrauenOrten konzipiert worden? Oder ist es vielmehr umgekehrt, dass die FrauenOrte nicht zuletzt durch das bereits bestehende Engagement einzelner Frauen und Gruppen entstanden?

E.S.: Die Rundgänge, Stadtführungen usw. sind nicht als Begleitprogramm zu den FrauenOrten entstanden. Viele entstanden als mögliche Ergebnisformen von Frauengeschichtsprojekten – ich finde als wichtige Ergänzung für die FrauenOrte; manchmal sind sie auch über die FrauenOrte hinaus, überregional bekannt geworden. Doch dazu ist ein Netz ja da.

QN: Wie schätzen Sie überhaupt die Chancen ein, dass eine kreative Vernetzungsarbeit rund um die FrauenOrte wächst? Sind die Gedenktafeln denn in bestehende Projekte integriert worden? Gibt es zum Beispiel Veranstaltungen, die sich darauf beziehen?

E.S.: Hinsichtlich einer weiteren Vernetzungsarbeit bin ich optimistisch. Es gibt im Umfeld der gekennzeichneten Orte Projekte, die die Symbolik nutzen und diese selbst als Ansporn zur Fortsetzung ihrer Spurensuche betrachten bzw. eigene Veranstaltungen anbieten. So hat beispielsweise die Tourismusgesellschaft in Quedlinburg ein eigenes touristisches Angebot parat: Quedlinburg – Stadt der starken Frauen. Wichtige Multiplikatorinnen sind auf Ihre Frage bezogen die Gleichstellungsbeauftragten der Region. Es gibt auch Neues: Am FrauenOrt Filmfabrik Wolfen wurde eine Symposienreihe in diesem Jahr (7.06.2001) begonnen, die sich dem Thema Frauenerwerbsarbeit, Beruf der Kindergärtnerin und Kindergarten in Geschichte und Gegenwart widmet. Ich habe eine Veranstaltungsreihe Forum FrauenGeschichte entwickelt, die vorwiegend in Halle durchgeführt wird, aber auch an anderen Orten, so z. B. am 30.10. und 20.11.01 in Schönebeck/Elbe. In Sangerhausen und auch in der Harzregion werden immer wieder Bezüge hergestellt und auch der FrauenOrt Helfta wächst weiter.

QN: Noch eine Frage zur Vernetzung, und vor allem zum Multiplikatoreneffekt dieses Projektes: Wie schätzen Sie denn die Möglichkeiten ein, dass sich Nachahmerinnen in anderen Bundesländern finden? Gäbe es denn Interesse und Gelder, dieses Projekt auszuweiten zu „FrauenOrte der alten und neuen Bundesländer“? Welche kreativen Vernetzungsvisionen treiben Sie persönlich um?

E.S.: Ich kann mir vorstellen, dass auch in anderen Bundesländern die Projektidee greift. Die Vision von einem die alten wie die neuen Bundesländer umspannenden Netz gefällt mir und ich hoffe sehr, dass daran viele Frauen stricken. Hier braucht es aber den politischen Willen und die Unterstützung des Bundes und der Länder. Ein Netzwerk, das inhaltlich und organisatorisch arbeitet, ist auch nicht von einer Person zu tragen – es braucht breitere Schultern und auch Geld. Zu Vernetzungsvisionen vielleicht soviel: Ich stelle mir vor, neue FrauenOrte zu finden und einzubinden, und Eigenleben und Verknüpfung dieser Orte zu unterstützen. Aber auch über touristische Erschließung wäre nachzudenken, so z.B. über thematische Zeitreisen. Mit diesem themenbezogenem Netz (das nicht nur gekennzeichnete Orte einschließt) könnte eine weitere Aufarbeitung bei gleichzeitiger Präsentierung von Ergebnissen befördert werden – getreu dem Motto: Geschichte erleben und erfahren!

QN: Elke Stolze, wir danken Ihnen herzlich für das Gespräch.

E.S.: Bitte!

Hinweis der Redaktion: Dr. Elke Stolze ist seit 1993 in Projekten, vorwiegend bei Courage e.V. Halle engagiert und hat in dieser Funktion Verschiedenes publiziert. Dort erhalten Sie auch weitere Auskünfte sowie die Einzelhefte der Reihe Frauenleben – Frauenalltag. Courage e.V. Falladaweg 9, 06126 Halle Tel.: 0345/6902444

Literatur

Courage e.V. (Hg.): Frauen in Halle – Straßen, Plätze, Wege, Kalender. Halle 1995.

Courage e.V. (Hg.): Frauenleben – Frauenalltag gestern und heute. Schriftenreihe des Courage e.V. Halle, ISSN 1617–1403, erscheint in loser Folge seit 1996. In dieser Reihe sind bislang erschienen:

Courage e.V. (Hg.): Leben und Gestalt: Studien zur Frauengeschichte in Halle. Halle: Hallescher Verlag 1996. (Mit Beiträgen von Lisa Albrecht-Dimitrowa, Jutta Jahn, Angelika Klein, Gisela Licht, Marion Mendéz und Elke Stolze)

Courage e.V. (Hg.): Frauen in Halle – Persönlichkeiten Hallescher Frauengeschichte – Biografische Skizzen, Kalender. Halle 1996.

Halle selbst entdecken – Ein Stadtrundgang, Reihe hg. von Courage e.V. Halle. Halle 1997.

Courage e.V. (Hg.): Frauen & Theater in Halle, Dessau und Bad Lauchstädt – Prinzipalinnen, Sängerinnen, Schauspielerinnen. Kalender. Halle 1998.

Tanja Berg, Elke Stolze: Bildung im Umbruch. Frauenpolitische Perspektiven in den neuen und alten Bundesländern – Tagung des AK „Politik und Geschlecht“ in der DVPW vom 23.–25. Januar 1998 in Magdeburg. In: femina politica Heft 1/1998 Staats- und Demokratietheorien. (http://www.femina-politica.de/1-1998.htm)

Elke Stolze (Hg.): FrauenOrte – Frauengeschichte in Sachsen-Anhalt. Mitteldeutscher Verlag 2000. (rezensiert von Elisabeth Dickmann in Querelles-Net Nr. 5)

URN urn:nbn:de:0114-qn023252

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